Kristin Labudda und Carsten Kötting vom Lehrstuhl für Biophysik der Ruhr-Universität Bochum

© RUB, Kramer

Optogenetik

Ein Protein, zwei lichtaktivierbare Zustände

Forschende haben neue Erkenntnisse über einen Ionenkanal aus Algen gewonnen. Sie könnten künftig dabei helfen, dass die Optogenetik ihr volles Potenzial entfalten kann. 

Forschende aus Bochum und Regensburg haben entdeckt, dass ein lichtempfindlicher Ionenkanal aus der Alge Guillardia theta zwei lichtaktivierbare Zustände besitzt. Der neu entdeckte zweite Zustand sorgt dafür, dass der Ionenkanal besonders schnell wieder geöffnet werden kann, nachdem er geschlossen war. Das macht ihn interessant für die Optogenetik, ein Verfahren, mit dem Forschende die Aktivität von Nervenzellen durch Licht gezielt steuern. Das Team um Dr. Kristin Labudda und Privatdozent Dr. Carsten Kötting vom Lehrstuhl für Biophysik der Ruhr-Universität Bochum sowie Prof. Dr. Till Rudack von der Universität Regensburg berichtet über die Ergebnisse in der Zeitschrift Communications Biology, online veröffentlicht am 8. August 2025.

Optogenetik mit Potenzial in der Therapie

Im Rahmen der Optogenetik werden bestimmte Nervenzellen genetisch so verändert, dass sie lichtempfindliche Proteine aus anderen Organismen herstellen. Anschließend lässt sich die Aktivität der modifizierten Nervenzellen über Licht steuern. „Wird Licht auf diese Proteine gerichtet, verändern sie ihre Struktur und aktivieren oder hemmen so die Zellen“, erklärt Till Rudack.

Seit einer Weile experimentieren Forschende mit der Optogenetik auch für die Therapie bestimmter Krankheiten. „Die Optogenetik ist eine vielversprechende neue Methode, beispielsweise für die Behandlung der Parkinson-Krankheit“, so Carsten Kötting. „Mit ihr könnten sich geschädigte Nervenzellen im Gehirn wieder aktivieren und motorische Fähigkeiten teilweise zurückgewinnen lassen.“ Bis sich das Verfahren möglicherweise im klinischen Alltag etablieren kann, ist es allerdings noch ein weiter Weg. Daher arbeiten Teams weltweit daran, lichtempfindliche Proteine besser zu verstehen und optimale Kandidaten für die Optogenetik zu identifizieren.

Ein gut untersuchtes Protein ist der Ionenkanal GtACR1 aus der Alge Guillardia theta, ein sogenanntes Kanalrhodopsin, welches der Alge als Lichtsensor dient. Wird GtACR1 durch Lichteinfall aktiviert, so öffnet sich die Pore des Kanals und negativ geladene Ionen wie Chlorid strömen hindurch.

Besonders effizienter Ionenkanal

In der aktuellen Studie zeigten die Bochumer und Regensburger Forschenden, warum GtACR1 so effizient ist. Sie untersuchten den Ionenkanal mit der Fourier-Transformations-Infrarot-Spektroskopie, mit der sich strukturelle Zustände von Proteinen erfassen lassen. So wies die Gruppe nach, dass GtACR1 gleich zwei lichtaktivierbare Zustände besitzt: den bekannten Grundzustand und zusätzlich ein Zwischenstadium namens O-Intermediat. Bei Dunkelheit liegt der Grundzustand vor, aus dem bei der ersten Aktivierung des Kanals durch Licht wie auch bei anderen Kanalrhodopsinen der normale Fotozyklus hervorgeht. Im Laufe dieses Zyklus werden verschiedene Zwischenstadien oder sogenannte Intermediate durchlaufen, die sich in ihrer Struktur und Ionenleitfähigkeit unterscheiden. Eines davon ist das O-Intermediat, welches dem Grundzustand mehrere Sekunden vorausgeht. Durch die im O-Intermediat vorliegende Konfiguration des Retinals – dem Baustein, der als direkter Lichtsensor dient, –ist dieses jedoch beim GtACR1 im Gegensatz zu anderen Kanalrhodopsinen lichtaktivierbar.

„Der von uns entdeckte zweite lichtaktivierbare Zustand sorgt dafür, dass der Kanal besonders schnell wieder geöffnet werden kann, was seine Ionenleitfähigkeit deutlich erhöht“, erläutert Kristin Labudda. Für die Anwendung in der Optogenetik bedeutet die höhere Ionenleitfähigkeit, dass sehr präzise auf Reize reagiert werden kann und die Zellen gezielter angesteuert werden können. Das eröffnet neue Möglichkeiten für optogenetische Anwendungen. „Mit unserer Arbeit haben wir zum ersten Mal ein Kanalrhodopsin mit mehreren lichtaktivierbaren Zuständen entdeckt“, resümiert Carsten Kötting. „Es sollte möglich sein, auch bei anderen Kanalrhodopsinen durch Mutationen weitere lichtaktivierbare Zustände zu erzeugen und so ihre Wirksamkeit zu erhöhen. Diese Erkenntnisse können den Weg zu noch effizienteren Werkzeugen in der Optogenetik ebnen – mit vielversprechenden Perspektiven für Forschung und Medizin.“

Originalveröffentlichung

Kristin Labudda, Mohamad Javad Norahan, Lisa-Marie Hübner, Philipp Althoff, Klaus Gerwert, Mathias Lübben, Till Rudack, Carsten Kötting: A Second Photoactivatable State of the Anion-conducting Channelrhodopsin GtACR1 Empowers Persistent Activity, in: Communications Biology, 2025, DOI: 10.1038/s42003-025-08560-4

Pressekontakt

PD Dr. Carsten Kötting
Biophysik
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 18069
E-Mail: carsten.koetting@ruhr-uni-bochum.de
Webseite Biophysik

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Veröffentlicht

Mittwoch
20. August 2025
08:59 Uhr

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