Masterabsolvent Karsten Lauber hat für seine Forschung die Eisenbahnstraße in Leipzig in den Fokus genommen.
© Karsten Lauber

Kriminologie Der Einfluss polizeilicher Pressearbeit

No-go-Area oder Problemviertel: Wie bekommen manche Orte ihr schlechtes Image? Ein Masterabsolvent hat sich in seiner Abschlussarbeit damit beschäftigt.

Karsten Lauber hat im Februar 2018 das berufsbegleitende Masterstudium Kriminologie, Kriminalistik und Polizeiwissenschaft erfolgreich an der RUB abgeschlossen und ist als bester Absolvent des Studienjahrganges ausgezeichnet worden. Für das Studium motiviert hat ihn sein Forschungsinteresse, wie er in einem Gespräch mit der RUB-Redaktion erzählt.

„Im Studium selbst gaben mir zusätzlich die Dozenten wichtige Impulse für meine eigene Forschung. Besonders über die Verbindung von Kriminalität und Raum wollte ich mehr erfahren“, sagt Lauber. Er selbst lebt und arbeitet in Leipzig. Für ihn lag es deshalb auch nahe, in seiner Masterarbeit ein lokales Phänomen aufzugreifen und unter die Lupe zu nehmen: die Eisenbahnstraße in Leipzig.

Die Eisenbahnstraße im Osten Leipzig wurde 2013 von einer TV-Sendung zum gefährlichsten Ort Deutschlands gekürt. Seitdem hält das Image an.
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„Diese Straße wurde 2013 von einer TV-Sendung zum gefährlichsten Ort Deutschlands gekürt. Bis heute verbinden sie viele mit dem entsprechenden Image. Ich habe mich gefragt, wie so ein Etikett für einen Ort entsteht beziehungsweise wie es aufrechtgehalten wird“, so Lauber.

Für seine Untersuchungen setzte er den Fokus auf die polizeiliche Pressearbeit und wollte herausfinden, ob und wie diese das schlechte Image der Eisenbahnstraße unterstützt.

„Ich habe Pressemeldungen der Leipziger Polizei und Nachrichten der Leipziger Volkszeitung aus dem Jahr 2016 ausgewertet und einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Zusätzlich habe ich Experteninterviews mit Verantwortlichen der Leipziger Polizei geführt“, erläutert der Absolvent seine Vorgehensweise.

Ich habe in meiner Masterarbeit herausgefunden, dass die Polizei mit ihrer Pressearbeit auch ein wichtiger Akteur ist.


Karsten Lauber

„Den Medien wird vorgeworfen, dass sie mit ihrer Themenauswahl und -darstellung die Meinungen ihrer Leser und Zuschauer stark beeinflussen. Ich habe in meiner Masterarbeit herausgefunden, dass zum Beispiel die Polizei mit ihrer Pressearbeit auch ein wichtiger Akteur dabei ist“, sagt er.

Nach seinen Analysen hat die Polizei Leipzig 2016 auch zum schlechten Image der Eisenbahnstraße beigetragen, indem zum Beispiel nur bestimmte Themen für Pressemitteilungen ausgewählt wurden: „Alltägliche Kriminalität, wie Fahrraddiebstähle, tauchen in der Pressearbeit kaum auf. Der Fokus liegt auf den schwereren Fällen wie gefährlicher Körperverletzung“, sagt er. Die Verantwortlichen der Pressestelle überlegen sich, welche Themen in den lokalen Medien Anklang finden. Dadurch ergibt sich, dass Berichte über schwere Formen der Kriminalität in der Pressearbeit einen großen Anteil einnehmen, obwohl sie im Vergleich zur Alltagskriminalität weniger vorkommen.

Die Polizei nutzt für ihre Mitteilungen erzählerische Formen und verwendet dabei bildhafte Sprache und fiktionale Elemente.


Karsten Lauber

Hinzu kommt, dass die polizeilichen Presseberichte auch wertende Attribute beinhalten, um die Vorfälle zu schildern. „Die Polizei nutzt für ihre Mitteilungen erzählerische Formen und verwendet dabei bildhafte Sprache und fiktionale Elemente“, sagt Lauber. Ein Beispiel ist folgende Mitteilungsüberschrift: „Nichts Neues in der Eisenbahnstraße“. „Mit der Formulierung zeigt schon die Polizei, dass man von der Eisenbahnstraße nichts Neues hinsichtlich weniger Kriminalität erwarten kann und unterstützt damit das vorherrschende Bild“, erläutert Lauber. Die Presseverantwortlichen unterstellen damit ein Vorwissen bei den Lesern nach dem Motto: Es passiert das, was eben immer dort passiert. 

Weiter ist dem Kriminologie-Absolventen aufgefallen, dass in den Berichterstattungen der Polizei auch die Nationalitäten der Täter auftauchen. „Die Polizei muss sich nicht an den Pressekodex halten, der nur bei begründetem öffentlichen Interesse die Zuschreibung des Täters zu einer bestimmten Religion oder Ethnie vorsieht“, sagt Lauber.

Die Polizei hat die Chance, ihre Arbeit mit Pressemitteilungen transparenter zu gestalten und zu zeigen, was gut läuft.


Karsten Lauber

Karsten Lauber weiß, dass ein komplexes Gebilde von Wechselwirkungen dafür sorgt, dass ein bestimmter Ort wie der in Leipzig ein bestimmtes Image erhält. In seiner Masterarbeit konnte er davon nur einen Teil analysieren. „Meine Analyse liefert trotzdem einen ersten Ansatz und zeigt, welche Akteure neben den üblichen Medien wie Zeitung und Fernsehen noch daran beteiligt sind, einem Ort ein negatives Etikett zu verpassen“, so der Absolvent. Seine Ergebnisse beziehen sich zwar konkret auf die örtliche Polizei, sie lassen aber erahnen, wie viel Potenzial in der polizeilichen Pressearbeit steckt.

Die Polizeipressestellen sollten sich ihrer Wirkung bewusst sein, sagt Lauber. Anstatt vorrangig schwere Vorfälle zu melden, könnte die polizeiliche Pressearbeit zum Beispiel über erfolgreiche Kriminalitätsprävention berichten. „Die Polizei hat die Chance, ihre Arbeit mit Pressemitteilungen transparenter zu gestalten und zu zeigen, was auch gut läuft und was sie für die Sicherheit der Bürger tut“, sagt er. Und ergänzt: „Sie profitiert von einem enormen Vertrauensvorschuss gegenüber den Medien und den Bürgern. Das kann sie für sich nutzen.“

Veröffentlicht

Dienstag
10. Juli 2018
11:08 Uhr

Von

Katharina Gregor

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