Serie Spitzensport und Studium
Felicitas Merker ist erfolgreiche Siebenkämpferin – neben dem Studium und dem Job.
© RUB, Marquard

Spitzensport In der Stille liegt die Kraft

Laufen, Springen, Werfen: Beim Siebenkampf trainieren die Sportler Disziplinen wie Kugelstoßen, Weitsprung oder Hürdenlauf. RUB-Studentin Felicitas Merker überwindet dabei noch ganz andere Hindernisse mit Leichtigkeit.

100 Meter Hürden, Hoch- und Weitsprung, Rennen über 200 und 800 Meter, dazu Kugelstoßen und Sperrwerfen: Siebenkämpfer sind Multitalente. RUB-Studentin Felicitas Merker gehört zu den Besten in ihrer Sportart. 

„Wenn man in einigen der Disziplinen schon sehr gut ist, hilft das auf jeden Fall sehr“, erklärt Merker. „Aber wichtiger ist: Man braucht auf jeden Fall Durchhaltevermögen, damit man mehrere Disziplinen an einem Tag trainieren kann.“ Eine Trainingseinheit ist zwischen zwei und zweieinhalb Stunden lang. Acht davon legt sie pro Woche ein – vor und nach den Seminaren. Stressig findet Merker das nicht. Im Gegenteil: „Ich habe mit elf Jahren angefangen und bin damit aufgewachsen. Ich habe da einfach Bock drauf, und es ist ein super Ausgleich zum Alltag.“

Volle Kraft in vielen Disziplinen

Und der ist bei Merker alles andere als entspannt: Neben ihrem Vollzeitstudium der Sportwissenschaft hat sie eine Teilzeitstelle als Referentin für Inklusion beim Stadtsportbund in Köln. Für sie ein Traumjob – denn Merker ist seit ihrer Geburt gehörlos. Schon bei ihrer Geburt hat ihr Hörnerv keine Signale weitergegeben. Erst als sie zwei Jahre alt war, bemerkten Ärzte, dass mit ihrem Gehör etwas nicht stimmte. Seither trägt sie Hörgeräte.

Seit fast 18 Jahren hat sie sogenannte Cochlea-Implantate. Diese stimulieren ihren Hörnerv. Unter den blonden Haaren verstecken sich die Hörgeräte mit Mikrofonen und die Zwei-Euro-Stück-großen Spulen, die ein kleines Stückchen hinter Merkers Ohrmuscheln implantiert sind.

Die Ruhe während des Sturms

Beim Training, zum Duschen und beim Schlafen legt sie die Hörgeräte ab. „Es hat auch seine Vorteile“, erklärt Merker. „Ich kann mich in der Disko direkt vor eine Box stellen, und es ist mir nicht zu laut. Und wenn es gewittert, kann ich ganz in Ruhe schlafen.“ Sie empfindet ihre Behinderung als Stärke: „Ich genieße die Stille. Ich kann von jetzt auf gleich völlig abschalten.“

Mit den Hörgeräten hört sie auf einem Ohr 85, auf dem anderen 60 Prozent – und ohne gar nichts. Durch die Implantate kann Merker telefonieren, und auch in der Vorlesung kommt sie gut mit. „Ich sage den Dozenten vorher immer, dass sie vielleicht etwas lauter und langsamer reden sollten“, sagt Merker. Wenn die anderen durcheinanderreden, macht sie sich kurz bemerkbar. Sobald wieder Ruhe eingekehrt ist, kann Merker der Vorlesung problemlos folgen. „Ich bin dadurch nicht eingeschränkt, auch wenn es ab und zu eine Herausforderung ist.“ Aber Herausforderungen sind nun mal Merkers Ding.

Lorbeeren für überwundene Hürden

Deshalb ist sie neben Studium und Job auch im Gehörlosensport aktiv. 2017 gewann sie Bronze im Siebenkampf bei den Deaflympics, den Olympischen Spielen für Gehörlose. Dafür verlieh ihr der Bundespräsident das silberne Lorbeerblatt. „Das war das Sahnehäubchen oben drauf“, sagt Merker. Ein Studium ohne ihren Sport kann sie sich nicht vorstellen. „Für mich ist es nicht nachvollziehbar, wie andere ganz ohne Sport durchs Studium kommen.“ Sie braucht ihr Training zum Abschalten: „Wenn ich meinen Körper so richtig an die Grenzen bringe, das macht mir den Kopf frei.“ Für sie das beste Mittel, um für ein paar Augenblicke Abstand zu ihrer Masterarbeit zu bekommen

Freie Zeiteinteilung

Wenn andere sich vom Studium gestresst fühlen, wundert sie sich oft. „Die sollen sich nicht so anstellen“, sagt Merker. „Ein gutes Zeitmanagement ist alles.“ Deshalb trainiert sie am liebsten alleine: Wann und wo sie läuft, wirft oder springt kann sie dadurch selbst entscheiden. „Die RUB unterstützt mich außerdem dadurch, dass ich kostenlos im Unifit trainieren darf“, sagt Merker. Dort übt sie nach der Vorlesung, mühelos über alle Hürden hinwegzuspringen, die sich in ihren Weg stellen.

Veröffentlicht

Donnerstag
10. Januar 2019
09:10 Uhr

Von

Ines Maria Eckermann

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