Konferenz

Die historischen Wurzeln autoritärer Entwicklungen

An der Ruhr-Universität diskutiert man Russlands Entwicklung seit dem Zerfall der Sowjetunion. Unter den Gästen: russische Menschenrechtsaktivisten, Wissenschaftler*innen und Friedensnobelpreisträger*innen.

„Mit der Konferenz tragen wir zum internationalen Dialog über Demokratie, Erinnerungskultur und autoritäre Regression bei“ – mit diesen Worten eröffnete Prorektor Prof. Dr. Achim von Keudell am 10. Juni 2025 die Konferenz „Ein Versuch von Demokratie: Russland 1989–1999“ und unterstrich zugleich die gesellschaftliche Verantwortung von Universitäten, diesen Diskurs zu fördern. EU-Botschafter Roland Galharague begrüßte live zugeschaltet aus Moskau die Teilnehmenden der dreitägigen Veranstaltung der Universitätsallianz Ruhr an der Ruhr-Universität.

Angereist waren renommierte Persönlichkeiten aus Politik- und Sozialwissenschaft, Journalismus, Literatur und Menschenrechtsarbeit, darunter Politikwissenschaftlerin Ekaterina Schulmann und Journalist und Friedensnobelpreisträger Dmitry Muratov, mit dem sich Rektor Prof. Dr. Martin Paul auch im persönlichen Zwiegespräch austauschte.

Friedensnobelpreisträger Dmitry Muratov (links) und RUB-Rektor Martin Paul tauschten sich am Rande der Tagung aus. 

© Michael Schwettmann

In ihren Beiträgen ging es um Russlands Entwicklung seit dem Zerfall der Sowjetunion. Die Vortragenden machten deutlich: Historische Prozesse sollten nicht nur erforscht, sondern ihre Folgen für die Gegenwart diskutiert werden – gerade in einer Zeit, in der demokratische Prinzipien weltweit unter Druck stehen.

So berichtete Irina Scherbakowa in ihrem Vortrag „10 years of fighting for memory” von ihrer Arbeit in der in Russland verbotenen Menschenrechtsorganisation „Memorial“, die sie mitgründete und die 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Über Jahre arbeitete Scherbakowa mit Kolleg*innen die sowjetische und später die russische Gewaltgeschichte auf, gab Millionen von namenlosen Opfern eine Stimme, schaffte Gedenkorte und veröffentlichte Studien. Heute sagt Scherbakowa: „Wir kennen den Großteil der Wahrheit, das große Ganze. Wie das System sich selbst erhalten hat.“ Und dennoch stieß die wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte auf wenig Interesse in der Bevölkerung; nostalgische Erinnerungen an die einstige Größe und Erzählungen von der Supermacht verfingen mehr. Ein entscheidender Schritt habe gefehlt: Die Sowjetunion offiziell als Verbrecherstaat zu erklären. „Es gibt kein Rezept für die Aufarbeitung der Vergangenheit. Aktuell sind wir im Dunkeln, aber es ist möglich. Es gibt die Nachfrage danach. 2010 waren wir schon einmal fast so weit.“

„Ihr Engagement in der heutigen Welt ist von unschätzbarem Wert”, bedankte sich von Keudell bei allen Vortragenden. „Sie leisten einen mutigen und wichtigen Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit autoritären Entwicklungen, zur Verteidigung der demokratischen Werte und zur Sichtbarkeit zivilgesellschaftlicher Perspektiven.“ 

Organisation und Förderung

Organisiert wurde die Veranstaltung vom Verbindungsbüro Osteuropa und Zentralasien der Universitätsallianz Ruhr in Zusammenarbeit mit der (durch die Europäische Union geförderte) Eastern Academic Alliance. Sie fand in Kooperation mit dem Osteuropa Kolleg e.V. als Teil der Veranstaltungsreihe „Course“ statt, gefördert außerdem durch die ZEIT Stiftung Bucerius und die Postcode-Lotterie.

Veröffentlicht

Freitag
13. Juni 2025
10:03 Uhr

Von

RUB-Redaktion

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