Photonik Leuchtende Pigmente gegen Produktpiraterie

Original und Fälschung zu unterscheiden, ist oft gar nicht einfach. Forscher der Ruhr-Universität Bochum entwickeln ein Verfahren, bei dem jeder Kunde mit dem Smartphone die Echtheit eines Produkts prüfen kann.

Wer etwas mit Markennamen kauft, möchte sein Geld für das Produkt einer bestimmten Firma ausgeben – nicht für eine billige Fälschung, die womöglich qualitativ minderwertig ist. Oft sind Original und Kopie aber mit bloßem Auge kaum zu unterscheiden. Daher haben einige Firmen begonnen, Originale mit speziellen Leuchtstoffen zu markieren.

Großhändler können mithilfe teurer Geräte überprüfen, ob die an sie gelieferten Produkte einen bestimmten Leuchtstoff enthalten und somit echt sind. Das Team um Dr. Carsten Brenner vom Lehrstuhl Photonik und Terahertztechnologie wollte wissen, ob auch Privatkunden den Leuchtstofftest durchführen können – per Smartphone. Die Studie war Teil eines größeren Projekts zur Produktpiraterie.

Gefälschte Medikamente aufspüren

Die Studie zur Leuchtstoffanalyse mit Smartphones ist Teil eines größeren Projekts zur Produktpiraterie, das das Land NRW und die EU im Ziel-2-Programm fördern. Im Zentrum des Forschungsvorhabens stehen Medikamentenfälschungen. Das Team um Carsten Brenner ermittelte die genaue chemische Zusammensetzung einer Reihe von Arzneimitteln, um gefälschte Produkte aufzuspüren. „Wir haben so ziemlich alles an Messtechnik auf die Medikamente losgelassen, was wir haben“, erinnert er sich. Im Projektverlauf zeigte sich, dass es in Deutschland kein ernsthaftes Problem mit gefälschten Arzneistoffen gibt. Größte Schwachstelle ist der Internetversandhandel.

Die industriell eingesetzten Leuchtmarker funktionieren wie die grüngelben Leuchtsterne, die man oft in Kinderzimmern findet. Scheint Licht darauf, laden sie sich auf und leuchten im Dunkeln nach; man spricht von Phosphoreszenz.

Phosphoreszenz und Fluoreszenz

Als Phosphoreszenz bezeichnet man die Eigenschaft eines Stoffes, nach Einstrahlen von Licht im Dunkeln nachzuleuchten. Durch die Lichteinstrahlung werden Elektronen des Leuchtstoffes in einen energetisch höheren Zustand versetzt. Diese Energie geben sie zeitverzögert wieder ab. Phosphoreszierende Materialien können daher auch noch Stunden nach der Bestrahlung leuchten. Fluoreszierende Materialien hingegen geben die über das Beleuchten aufgenommene Energie sofort wieder ab; wenn das Licht ausgeht, leuchten sie also auch nicht mehr.

Die Farbstoffe für die Aufkleber sind so produziert, dass sie – einmal aufgeladen – möglichst lange nachleuchten. Dafür müssen sie auch lange aufgeladen werden. Für den Fälschungsschutz sind hingegen Pigmente gefragt, die sich schnell aufladen lassen und nur kurz Licht abgeben. Die Phase des Nachleuchtens ist das Entscheidende für die Analyse.

Für jeden Stoff lässt sich eine charakteristische Kurve ermitteln, die das Nachleuchtverhalten beschreibt, also zum Beispiel wie schnell die Leuchtkraft nachlässt. Die Idee: Wenn man weiß, wie die Kurve für ein Originalprodukt aussieht, kann man das Nachleuchtverhalten eines vorliegenden Produkts messen und beide vergleichen. Sind sie identisch, handelt es sich um ein Original. Für diesen Abgleich bräuchte man eine Datenbank, in der die Originalkurven für alle Produkte hinterlegt sind.

Die Leuchtkraft der acht getesteten Farbstoffe lässt auf unterschiedliche Art nach. Einige Kurven sind sehr ähnlich, dennoch kann die Smartphone-Analyse alle Leuchtpigmente anhand des Abklingverhaltens unterscheiden.
© Rubin

Aber kann man nicht einfach die Leuchtstoffe fälschen, mit denen die Originale markiert sind? „Diese Substanzen herzustellen ist extrem kompliziert“, sagt Daniel Althoff, der zu dem Thema seine Masterarbeit geschrieben hat. „Es ist im Prinzip unmöglich, zweimal einen identischen Farbstoff zu erzeugen.“

Auch wenn zwei Fuhren eines Markers die gleiche chemische Struktur besitzen, können sie ein unterschiedliches Nachleuchtverhalten haben. Denn dieses hängt von den äußeren Bedingungen bei der Produktion des Stoffes ab, etwa von der genauen Temperatur. Es bilden sich Partikel unterschiedlicher Formen und Größen. „Kleine Plättchen einer Substanz leuchten zum Beispiel anders nach als dicke Kugeln“, erklärt Althoff. Aber zweimal exakt das gleiche Gemisch aller Formen und Größen entsteht nie.

Endverbraucher haben keine teuren Messgeräte

Fälschungssichere Marker gibt es also. Fraglich war jedoch, ob die Methode auch für den Endverbraucher interessant ist, also ob es möglich ist, ohne teure optische Messgeräte oder chemische Analyseverfahren zwischen verschiedenen Leuchtstoffen zu unterscheiden. „Hier hatten wir die Idee, ein Smartphone zu nutzen“, sagt Carsten Brenner. „Denn viele Menschen tragen es inzwischen ständig bei sich.“

Die Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) besorgten sich über 20 verschiedene Leuchtstoffe im Internet, von denen sie acht mit möglichst ähnlichen Farben und möglichst ähnlicher Nachleuchtzeit genauer untersuchten. Diese strichen sie auf weißes Papier und bestrahlten sie mit Licht, bis alle Farbpigmente aufgeladen waren. Dann filmten sie die nachleuchtenden Stoffe fünf bis zehn Sekunden lang mit der Kamera eines I-Phone.

Das Video zerlegten sie in einzelne Farbkomponenten und werteten deren Abklingverhalten mithilfe eines Grafikprozessors aus. Eine entscheidende Rolle spielte dabei vor allem die Zeitkonstante für das Abklingen der Leuchtkraft, also wie lange es dauert, bis die volle Leuchtkraft auf zum Beispiel 30 Prozent zurückgegangen ist. Anhand der ermittelten Parameter ließen sich alle getesteten Stoffe eindeutig voneinander trennen. Für die Datenanalyse brauchte es dabei keinen leistungsstarken Computer. Daniel Althoff programmierte eine App, mit der das I-Phone alle nötigen Kalkulationen durchführte.

Für die Videoanalyse zerlegten die Forscher das von den Leuchtstoffen ausgestrahlte Licht in mehrere Farbkomponenten. Die Intensität von Licht unterschiedlicher Farbe, zum Beispiel blauem und rotem Licht, nahm unterschiedlich schnell ab. Gezeigt ist das Verhältnis der Leuchtkraft von blauem zu rotem Licht für sechs Farbstoffe. Dieses Blau-Rot-Verhältnis ist für die Farbstoffe relativ charakteristisch.
© Rubin

Lässt sich also der gesamte Test mit dem Handy bewerkstelligen? Noch nicht ganz. Für die Versuche verwendeten Althoff und Brenner energiereiche UV-Strahlung, um die Pigmente anzuregen. „Denn ein Problem am Anfang unserer Messungen war, dass wir einen definierten Ausgangszustand brauchten“, sagt Carsten Brenner. Alle Pigmente in der Probe mussten angeregt sein. Nur dann konnten die Wissenschaftler zuverlässig den Verlauf der Leuchtkraft bestimmen.

Zuhause oder im Laden wird der Privatkunde jedoch keine energiereiche UV-Strahlung zur Hand haben. „Die Leuchtstoffe, die wir in unserer Machbarkeitsstudie verwendet haben, waren allerdings auch noch gar nicht für eine Anwendung im Fälschungsschutz optimiert“, erklärt Daniel Althoff. Es waren handelsübliche Farbstoffe aus dem Internet, die darauf ausgelegt waren, möglichst lange zu leuchten.

„Generell gilt: Je länger etwas leuchtet, desto länger dauert es, einen definierten Ausgangszustand herzustellen“, sagt Brenner. Und eine lange Ladezeit erfordert viel Energie. Spezielle Pigmente für den Fälschungsschutz hätten aber nur eine kurze Leuchtzeit und wären somit auch schnell zu laden, also mit vergleichsweise wenig Energie.

Lampe und Kamera genügen für den Test

Dass sich die Leuchtstoffe prinzipiell auch mit der I-Phone-LED aktivieren lassen, hat Daniel Althoff in ersten Messreihen bereits gezeigt. Natürlich muss es auch nicht unbedingt ein I-Phone sein. „Im Prinzip braucht man nur eine Lampe, um das Pigment anzuregen, und eine Kamera, um das Nachleuchten aufzunehmen. Das sollte mit jedem Smartphone machbar sein“, erklärt er.

Erst recht, da die Technik immer besser werde. Das Gerät, mit dem er testete, zeichnet 30 Bilder pro Sekunde auf. Die neuen Kameras erreichen bereits 120 Bilder pro Sekunde. „So hätte man noch mehr Datenpunkte und könnte die Leuchtstoffe noch genauer auseinanderhalten“, sagt Brenner. An Konzepten zur marktgerechten Umsetzung der Ergebnisse arbeitet das Team vom Applied Competence Cluster Terahertz der RUB unter Leitung von Dr. Jens Soetebier sowie der Projektpartner „Photon IQ Technologies GmbH“.

Die Markierung von Originalprodukten mit Leuchtpigmenten ist bislang nur für Großkunden im Einsatz. Ein alternatives Konzept für den Endverbraucher stellt zum Beispiel die Produktserialisierung dar. Diese ist für Medikamente beschlossene Sache. Ab 2017 wird jede einzelne Packung mit einem eindeutigen Barcode zur Identifikation versehen. In einer Datenbank könnten dann alle Barcodes mit dem zugehörigen Produkt hinterlegt werden.

Ein Barcode lässt sich leicht kopieren.


Daniel Althoff

Theoretisch könnte jeder Verbraucher mit einem Smartphone den Code auf seiner Packung scannen und mit der Datenbank abgleichen. Doch Daniel Althoff glaubt nicht, dass dieses Vorgehen das Problem wirklich löst. „Das macht es besser, aber immer noch nicht fälschungssicher“, sagt er. „Denn ein Barcode lässt sich leicht kopieren und auf andere Packungen drucken. Natürlich fällt das irgendwann auf, aber bis dahin hat ein Betrüger vielleicht schon viel verkauft.“

Leuchtstoffe hingegen lassen sich nicht so einfach nachmachen, und sie lassen sich in eine Vielzahl von Produkten einbringen; man kann sie zum Beispiel als Faser in Stoffe einweben, in die Ummantelung von Kabeln einbringen oder als Lack auf Oberflächen streichen.

Und dass sie sich prinzipiell mit einem Smartphone auswerten lassen, haben die RUB-Forscher auch schon gezeigt. Der Einsatz der Smartphonetechnik bringt einen weiteren Vorteil mit sich, nämlich die Anbindung an das Internet. So könnte man unterschiedliche Verfahren zum Fälschungsschutz miteinander kombinieren, etwa die Leuchtstoffmarkierung und eine Serialisierung mit Barcodes.

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Unveröffentlicht

Von

Julia Weiler

Dieser Artikel ist am 20. März 2014 in Rubin Frühjahr 2014 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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