Landwirtschaft in Westafrika Mehr Salat dank Biokohle
In Westafrika ziehen zahlreiche Bauern in die Städte, wo sie auf Brachflächen und in ausgetrockneten Flussbetten Landwirtschaft betreiben. Das soll ertragreicher werden.
Westafrika hat eine der größten Verstädterungsraten der Welt. Die Leute, die die ländlichen Gegenden verlassen, sind hauptsächlich Bauern, deren Existenzgrundlage die Landwirtschaft ist. Sie versuchen, jeden freien Quadratmeter in der Stadt dafür zu nutzen.
Im Projekt Urban Food Plus wollen Forscherinnen und Forscher Wege finden, um die urbane Landwirtschaft produktiver, nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten. Der RUB-Lehrstuhl für Bodenkunde und Bodenökologie von Prof. Dr. Bernd Marschner koordiniert das Projekt gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Kassel.
Eines der vielen Teilprojekte hat zum Ziel, die Ernteerträge auf städtischen Böden zu steigern. Um die dafür notwendigen Daten zu sammeln, hat Dr. Volker Häring seinen Arbeitsplatz zeitweise von Bochum nach Westafrika verlagert. Insgesamt neun Monate war er in Burkina Faso und Ghana, um zusammen mit Kolleginnen und Kollegen unterschiedlicher Fachrichtungen Feldversuche durchzuführen und sich mit den Bauern vor Ort auszutauschen.
Das interkulturelle Abenteuer hat mich gereizt.
Volker Häring
„Das interkulturelle Abenteuer hat mich gereizt“, sagt Häring. Aber nicht nur das. Auch die starke Kooperation innerhalb der RUB im Rahmen von Urban Food Plus sehen die Bodenökologen als großen Vorteil.
Eine lange Geschichte von Entwicklungsprogrammen hat bewirkt, dass in diesen Ländern kaum noch Menschen an Hunger sterben, vor allem nicht in Ghana. Dürren oder andere Naturkatastrophen können die Ernährungssicherheit jedoch nach wie vor gefährden, und gesundheitliche Probleme durch Mangelernährung sind kein seltenes Phänomen.
„Es gibt kaum Versicherungen, die bei einem Ernteausfall helfen“, sagt Volker Häring. „Die Menschen sind auf die Familie und auf den Ertrag vom Feld angewiesen.“ Umso wichtiger ist es, dass sie sich auf eine erfolgreiche und reichliche Ernte verlassen können.
Um einen Überblick über die Lage zu gewinnen, befragten die Forscherinnen und Forscher in einer ersten Studie 270 Bauern aus Tamale in Ghana sowie 246 aus Ouagadougou in Burkina Faso und analysierten die von ihnen genutzten Böden. Zunächst mussten sie aber geeignete Flächen und Teilnehmer finden.
„Ich habe mir einen Motorroller gekauft. Der macht das Leben deutlich einfacher“, erzählt Häring. „Einen dicken Geländewagen, wie ihn andere Projekte haben, konnten wir uns nicht leisten. Aber meiner Meinung nach passt es auch nicht, damit zu einfachen Bauern zu fahren.“
Die Studie lieferte ein gutes Bild über die Bodenbeschaffenheit, den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und die üblichen Ernteerträge. Anschließend galt es, Mittel zu finden, um die Erträge zu steigern.
Biokohle als Zauberwort
Biokohle lautet das Zauberwort des Bochumer Teams. Dabei handelt es sich um verkohlte Biomasse, die entsteht, wenn pflanzliches Material in sauerstoffarmer Atmosphäre verbrennt. In den Boden eingearbeitet verbessert sie den Wasserhaushalt und sorgt dafür, dass Nährstoffe besser haften bleiben.
„Wasser ist in Westafrika der limitierende Faktor Nummer eins für die Landwirtschaft“, weiß Häring. An zweiter Stelle kommt die Bodenfruchtbarkeit; der sandige Untergrund kann Nährstoffe in der Regel nur schlecht speichern. Biokohle könnte beide Probleme auf einmal lösen.
„Sie ist in der Forschung eingeschlagen wie ein Meteorit“, erzählt der RUB-Wissenschaftler. „Es ist ein richtiger Hype entstanden, den man natürlich kritisch betrachten sollte. Plötzlich traten viele Weltverbesserer auf den Plan, die alle Probleme mit Biokohle lösen wollten, aber die Sache wenig reflektiert angegangen sind.“ Zugutehalten müsse man ihnen aber, dass die Feldversuche die ertragssteigernde Wirkung der Biokohle bestätigten. Die Experimente in Westafrika offenbarten großes Potenzial für die Substanz.
Zunächst führte das Urban-Food-Plus-Team Untersuchungen unter kontrollierten Bedingungen durch. Auf den Testfeldern, die die Forscher mit Biokohle behandelten, wuchsen tatsächlich größere Salatköpfe als auf den unbehandelten Feldern. Ein vielversprechendes Ergebnis.
Aber würden die Bauern auch im Alltag mit der Biokohle klarkommen? Unmittelbar drängt sich die Frage auf, wo der Bodenverbesserer überhaupt herkommen soll – und zu welchem Preis. Die Idee: Biokohle aus Ernterückständen erzeugen. Überreste von Maiskolben oder die Hülsen von Reiskörnen eignen sich zum Beispiel dafür.
Solcher Pflanzenabfall ist nicht nur kostenlos, seine Umsetzung zu Biokohle hat noch einen weiteren Vorteil. Üblicherweise werden Erntereste verbrannt oder im Lauf der Zeit auf natürlichem Weg zersetzt. Der überwiegende Teil des Kohlenstoffs aus dem organischen Material entweicht in die Atmosphäre, geht dem Boden als Ressource verloren und schadet in Form von CO2 dem Klima. Bei der Biokohleproduktion hingegen wird immerhin die Hälfte des Kohlenstoffs stabil gespeichert.
Biokohle im Alltagstest
„Alle Ghanaer kennen die Kohleproduktion, weil sie Holzkohle zum Kochen verwenden“, berichtet Häring. „In jedem Dorf gibt es Leute, die sich auf die Herstellung spezialisiert haben.“ Mit dem gleichen Prozess könnte man auch Biokohle produzieren. Aber selbst spezielle Öfen für die Produktion sind einfach und günstig zu bauen.
Zwölf Stück verteilte Häring mit seinen Kolleginnen und Kollegen an Bauern, die Lust hatten, an einem Experiment teilzunehmen. Sie zeigten ihnen kurz, wie die Geräte funktionieren, und zogen sich dann auf die Beobachterperspektive zurück.
Die Bauern stellten selbst Biokohle her, brachten sie in die Felder ein und pflanzten Salat. Gespannt wartet Volker Häring nun auf die Ergebnisse. „Bei solchen Projekten besteht immer die Gefahr, dass etwas Unerwartetes passiert“, sagt er. „Zum Beispiel, dass Tiere alle Pflanzen wegfressen.“
Unerwartete Probleme
Auch darüber hinaus tauchten Probleme auf, die die Forscherinnen und Forscher zunächst gar nicht auf dem Schirm hatten. Um kleine Felder mit einer ausreichenden Menge Biokohle auszustatten, braucht man einiges an Biomasse, zwei Kilogramm pro Quadratmeter, um genau zu sein.
„So viel Pflanzenabfall muss erst einmal verfügbar sein“, gibt Häring zu bedenken. „Und man muss ihn transportieren und den Transport bezahlen können.“ Von solchen Hindernissen erfährt man häufig nur im Gespräch mit den Betroffenen. Daher trifft sich das Urban-Food-Plus-Team regelmäßig mit den involvierten Bauern zu Gruppendiskussionen.
Viele Ghanaer sind Analphabeten, aber beherrschen fließend vier oder fünf Sprachen.
Volker Häring
Die Verständigung klappt in der Regel gut, in Burkina Faso auf Französisch, in Ghana auf Englisch. „Ghanaer sind Sprachkünstler“, hat Volker Häring schnell bemerkt. „Viele sind zwar Analphabeten, aber beherrschen fließend vier oder fünf Sprachen, weil sie oft stark mit benachbarten ethnischen Gruppen vernetzt sind.“
Die Gruppendiskussionen haben den Wissenschaftlern gezeigt, dass die Bauern gut informiert sind. Häring: „Eigentlich wissen sie alles, zum Beispiel wie man den Wasserhaushalt des Bodens verbessern kann.“
Oft wundert sich die Forschungsgruppe dann, dass die Bauern nützliche Maßnahmen trotz ihrer Expertise nicht umsetzen. Die Diskussionen offenbaren häufig warum. „Das sind dann so banale Gründe wie, dass man noch nicht einmal ein Fahrrad hat, um etwas von A nach B zu transportieren“, erzählt der Bochumer Forscher. „Oder der erhöhte Arbeitsaufwand, den Bodenschutztechniken erfordern, wird nicht als rentabel angesehen.
Oft ist das Land nicht in Privatbesitz, und man weiß nicht, ob man es in fünf Jahren noch bewirten darf. Dementsprechend ist die Motivation gering, etwas Nachhaltiges für die Bodenfruchtbarkeit zu tun. Ein komplexes Gefüge.“
Kooperation auf Augenhöhe
Diese Hürden wird das Urban-Food-Plus-Projekt nicht aus dem Weg räumen können. Das ist aber auch gar nicht das Ziel. Das Team erprobt zwar Techniken, von denen die Menschen der Region profitieren können. Sie im Alltag umzusetzen ist dann aber Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit.
Volker Häring freut sich über die gute Kooperation mit den Bauern sowie den Projektpartnern in Deutschland und Westafrika. Ohne letztere wäre das Forschungsvorhaben nicht möglich. „Es ist wirklich eine Kooperation auf Augenhöhe. Daran liegt uns viel, und ohne sie wäre das ganze Projekt undenkbar“, sagt er. „Ich bin jedenfalls gern in Westafrika.“