Hören wir einen Vogel zwitschern, dann aktiviert das Gehirn sehr früh die Kategorie „Vogel“ – schon hören wir nicht mehr unvoreingenommen.
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Philosophie Wie unser Wissen unsere Wahrnehmung prägt

Sehen wir unsere Umwelt so, wie sie ist, oder durch die Brille unseres Vorwissens gefiltert? Philosophen sind vom Einfluss des Wissens überzeugt.

Wie Wahrnehmungsprozesse sich ausgehend von Lichtreizen auf der Netzhaut im Gehirn entfalten, ist einer der am intensivsten untersuchten Vorgänge in den Neurowissenschaften. Dennoch ist es umstritten, ob das Sehen eines Objekts oder das Hören einer Geräuschkulisse direkt von unserem Hintergrundwissen beeinflusst werden kann oder nicht. Philosophen der RUB und Neurowissenschaftler von der New York University arbeiten im Journal Consciousness and Cognition das Modell der wechselseitigen Durchdringung in alle Richtungen aus.

Schlüsse aus optischen Täuschungen

Dass unsere Wahrnehmung unser Wissen bestimmt, ist unstrittig: Ich sehe ein Handy und bilde mir die Überzeugung, dass dort ein Handy liegt. Strittig ist die Frage, ob Hintergrundwissen die Wahrnehmung selbst schon beeinflussen kann. „Bestimmte optische Täuschungen legen nahe, dass unser Wissen die Wahrnehmung nicht beeinflussen kann“, erklärt Prof. Dr. Albert Newen von der Fakultät für Philosophie und Erziehungswissenschaft der RUB. „Aber das lässt sich nicht auf Alltagswahrnehmungen verallgemeinern.“

Vogelgezwitscher aktiviert Kategorie im Gehirn

Um diese These zu stützen, berufen sich die Forscher auf Experimente der Ko-Autorin Petra Vetter. Sie hat den genauen Prozessverlauf von Signalwegen im Gehirn beim Hören beobachtet und konnte zeigen, dass es frühe Rückkopplungen gibt: „Es wird im Gehirn frühzeitig durch das Hörsignal, zum Beispiel ein Vogelgezwitscher im Wald, eine Kategorie aktiviert, nämlich die Kategorie des Vogels.

Diese Aktivierung nimmt ihrerseits auf die frühen Wahrnehmungsareale einen messbaren Einfluss und prägt dadurch die Strukturierung des Signals als Teil des Erfassens. „Nicht einmal die frühe Verarbeitung eines Signals im Gehirn ist also frei von Einflüssen des Vorwissens“, so Albert Newen.

Unveröffentlicht

Von

Meike Drießen

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