Interview Vom Arzt zum Forscher
Nikolai Axmacher verrät, was ihn bei seiner Arbeit mit Epilepsie-Patienten am meisten herausgefordert hat und warum sein beruflicher Werdegang nicht ganz ohne Risiko war.
Schlafen festigt neue Gedächtnisinhalte. Aber was genau dabei im Gehirn passiert, ist noch unklar. Prof. Dr. Nikolai Axmacher möchte es herausfinden. In seinen Studien misst er mit seinem Team die Hirnaktivität von Epilepsie-Patienten.
Herr Axmacher, Sie untersuchen Epilepsie-Patienten. Dabei ist die Krankheit gar nicht Gegenstand Ihrer Forschung. Sie wollen etwas über das menschliche Gehirn im Allgemeinen herausfinden. Warum also die Arbeit mit Patienten?
Die Patientinnen und Patienten geben uns eine einzigartige Möglichkeit, ein EEG in tief im Gehirn liegenden Bereichen aufzuzeichnen, da sie aus medizinischen Gründen Elektroden implantiert haben. An solche Daten würden wir bei Menschen sonst niemals herankommen.
Eine hundertprozentig sichere Antwort wird man niemals geben können.
Kann man denn von dem Gehirn eines Patienten auf das eines Gesunden schließen?
Diese Frage bekomme ich nach jedem zweiten Vortrag gestellt, den ich halte. Und sie ist natürlich auch berechtigt. Eine hundertprozentig sichere Antwort wird man niemals geben können. Aber es gibt Gründe, die dafür sprechen.
Fokale Epilepsien betreffen nicht das gesamte Gehirn, sondern eine Region und vielleicht noch ein Netzwerk, das die pathologische Hirnaktivität vom Anfallsherd weitergeleitet bekommt. Aber die Hirnaktivität auf der gegenüberliegenden Seite vom Anfallsherd ist relativ normal. Die Patienten haben in der Regel auch nur sehr spezifische neuropsychologische Defizite.
Als Sicherheitsmaßnahme werten wir immer nur die EEG-Daten von der gegenüberliegenden Seite vom Anfallsherd aus. Das ist wahrscheinlich sogar konservativer als nötig.
Was war für Sie die größte Herausforderung bei der Arbeit mit den Patienten?
Schwierig war für mich die Zeit, als ich am Universitätsklinikum Bonn geforscht habe und gleichzeitig Vollzeit klinisch tätig war. Manche Patienten kannten mich als behandelnden Arzt, und dann musste ich ihnen sagen: Ich komme heute als Forscher, nicht als Ihr Arzt. Hier läuft eine Studie; wir würden uns freuen, wenn Sie mitmachen. Aber es bringt Ihnen gar nichts; es bringt nur uns etwas. Diese Rollen zu trennen, war nicht ganz leicht.
Haben denn viele mitgemacht?
Ungefähr zwei Drittel der Gefragten. Viele haben es als willkommene Abwechslung empfunden, an der Studie teilzunehmen. Es ist eine sehr belastende Lebensphase für die Patienten. Sie sitzen im Bett und warten, dass Anfälle auftreten, während die Elektroden die Gehirnaktivität aufzeichnen.
Das war schon ein bisschen risikoreich.
Heute sind Sie nur noch Forscher. Wie lange waren Sie als Arzt tätig?
Ein knappes Jahr. Danach bin ich noch hin und wieder eingesprungen, wenn Kollegen krank oder im Urlaub waren. Ich habe auch keinen Facharzt mehr gemacht, sondern bin komplett in die Forschung gegangen. Das war schon ein bisschen risikoreich. Hätte es nicht mit der Dauerstelle geklappt, wäre ich ganz schön aufgeschmissen gewesen.