Prof. Dr. Gabriele Bellenberg leitet die Arbeitsgruppe Schulforschung und Schulpädagogik.
© Damian Gorczany

Kommentar Das deutsche Schulsystem ist nicht gerecht

Nach vier Jahren Grundschule endet in Deutschland das gemeinsame Lernen. Gabriele Bellenberg kritisiert das. Sie sagt: Zu viele Kinder bleiben dabei auf der Strecke.

Die meisten Eltern wünschen sich für ihr Kind, dass es ein Gymnasium besuchen kann. Dieser Wunsch geht im Bundesdurchschnitt bei immerhin 39 Prozent der Familien auch in Erfüllung.

Leider ist es aber nicht so, dass jedes Kind die gleichen Chancen hat, für diese Form der schulischen Laufbahn auserwählt zu werden. Wenngleich die in der Grundschule erbrachte Leistung der stärkste Prädiktor für den Gymnasialübergang ist, so spielt daneben auch die soziale Herkunft eine nachweisbare Rolle. Nicht zuletzt deshalb, weil bildungsorientierte Eltern die Aspirationen für ihren Nachwuchs durchzusetzen wissen.

Am Ende der Schullaufbahn zeigt sich in Deutschland ein – auch im internationalen Vergleich – enger Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler. Auch die frühe Aufteilung der Schüler auf unterschiedliche Schulformen hat daran einen Anteil.

Ich bin keine Anhängerin davon, unsere Schülerinnen und Schüler so früh aufzuteilen.

Doch es gibt noch weitere Gründe dafür, warum ich keine Anhängerin davon bin, unsere Schülerinnen und Schüler schon so früh aufzuteilen. Zum Beispiel haben Kinder mit geringen Deutschkenntnissen dadurch nur eine kurze sprachliche Förderzeit, bevor sie auf der weiterführenden Schule bestehen müssen.

Das daneben existierende Angebot an Förderschulen für Schüler mit besonderem Förderbedarf befindet sich allerdings gerade im Umbauprozess in Richtung Inklusion. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Denn dadurch werden sich für die meisten Förderschülerinnen und -schüler bessere gesellschaftliche Integrations- und Teilhabemöglichkeiten bieten.

Schließlich gehen mit dem gegliederten Schulsystem Selektionsmechanismen einher: Kinder müssen Klassen wiederholen oder zu einer Schulform mit niedrigeren Ansprüchen wechseln. Das können sie als Missachtung oder zumindest fehlende Anerkennung empfinden. Ein Schulsystem, das länger auf Lerngruppen mit unterschiedlichen Leistungsniveaus setzt, kann solche Erfahrungen vermeiden helfen.

Der internationale Vergleich macht deutlich, dass kein Schulsystem der Welt vollständig gerecht ist.

Diese Diskussion über die Gerechtigkeit im Schulsystem auf die äußere Form des Bildungssystems zu beschränken würde allerdings in die Irre führen. Neben den innerschulischen pädagogischen Prozessen müsste insbesondere das normative Wertesystem der Gesellschaft, das solche Ungerechtigkeiten akzeptiert, kritisch hinterfragt werden.

Der internationale Vergleich macht deutlich, dass kein Schulsystem der Welt vollständig gerecht ist. Deutlich wird aber auch, dass zu dieser Frage in Deutschland noch viel Luft nach oben ist.

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Von

Gabriele Bellenberg

Dieser Artikel ist am 2. November 2016 in Rubin 2/2016 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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