Glück ist für jeden Menschen etwas anderes. 2016 gab es in Deutschland scheinbar eine Extraportion davon. Oder?
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Unstatistik So zufrieden sind die Deutschen doch nicht

Ein erfreuliches Ergebnis ist im Oktober 2016 durch die Medien gegeistert: Laut Umfragen sind die Deutschen so glücklich wie lange nicht mehr. Statistik-Experten sehen keinen Grund zum Feiern.

Trotz Kriegen, Krisen und Terrorgefahr sind die Deutschen 2016 so glücklich wie seit zehn Jahren nicht mehr. Dieses Ergebnis verkündete die Deutsche Post, als sie Mitte Oktober ihren diesjährigen Glücksatlas herausgab. Viele Medien griffen die Daten auf, unter anderem heute.de und Zeit Online.

RUB-Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Bauer nahm das Ranking gemeinsam mit Kollegen aus Dortmund und Berlin genauer unter die Lupe. Die drei Professoren küren regelmäßig die „Unstatistik des Monats“. Sie hegen Zweifel an den Interpretationen des Glücksatlas.

Deutlicher Glückssprung

Die Befragten konnten ihre Lebenszufriedenheit auf einer Skala von null bis zehn bewerten – je höher der Wert, desto zufriedener die Person. Im Jahr 2016 lag der allgemeine Zufriedenheitswert in Deutschland bei 7,11 und damit 0,09 Punkte höher als 2015.

In der Pressemitteilung der Deutschen Post las sich das so: „Deutschland macht einen deutlichen Glückssprung“. In den Hintergrundinformationen zur Studie hieß es weiter: „Damit verlässt Deutschland erstmals seit fünf Jahren das sogenannte Zufriedenheitsplateau“.

Zufällige Schwankungen

Die Autoren der Unstatistik sehen keinen Anlass, die Ergebnisse als Kehrtwende zu feiern. Sie schätzen sie vielmehr als zufällige statistische Schwankungen ein. Laut Bauer und Kollegen weicht die im Glücksatlas dokumentierte Entwicklung alle paar Jahre ein wenig von einem langfristig schwach ansteigenden Trend ab.

2005 und 2010 war der Glücksindex ähnlich leicht angestiegen wie 2016. Jeweils im Jahr danach fiel er jedoch wieder ab. „Das Glück ist also wahrscheinlich einfach wieder zu seinem langfristigen Trend zurückgekehrt“, so das Fazit der drei Professoren.

Regionale Trends

Die Autoren halten auch nichts von den der Deutung regionaler Unterschiede, welche Schlagzeilen hervorbrachten wie „Kölner sind glücklicher als Düsseldorfer“ (RP Online) oder „Berliner werden immer unglücklicher“ (B.Z. Berlin). Denn die Veränderungen in den absoluten Zahlen sind sehr gering. In Berlin ist der Glücksindex gerade einmal von 6,89 auf 6,85 gesunken.

Über die Unstatistik

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Prof. Dr. Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Prof. Dr. Walter Krämer und RUB-Forscher Prof. Dr. Thomas Bauer, Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen (RWI), jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Ein Archiv aller Unstatistiken findet sich auf der Seite des RWI.

Unveröffentlicht

Von

Julia Weiler

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