Constantin Goschler und Marcus Böick (rechts) haben nach Erinnerungsspuren der Treuhandanstalt gesucht. © RUB, Marquard

Zeitgeschichte Die Treuhandanstalt: Bad Bank der Wiedervereinigung

Warum wir heute wieder darüber reden sollten.

Die Treuhandanstalt war zwischen 1990 und 1994 dafür zuständig, die Planwirtschaft der ehemaligen DDR in eine Marktwirtschaft zu überführen – ein für viele Ostdeutsche schmerzhafter Prozess. Wie er sich in der gegenwärtigen Erinnerungskultur niederschlägt, haben die RUB-Historiker Marcus Böick und Prof. Dr. Constantin Goschler nun erstmals untersucht. Die Studie, die sie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums durchgeführt haben, zeigt unter anderem, dass die Treuhandanstalt für viele ältere Ostdeutsche eine Art Bad Bank der Wiedervereinigung darstellt, die sie bis heute sehr negativ bewerten.

Für die erinnerungskulturelle Inventur analysierten die Forscher die medienöffentlichen Auseinandersetzungen der vergangenen 25 Jahre, befragten frühere Treuhand-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter und führten im Frühjahr 2017 eine Umfrage mit 500 Personen in Ostdeutschland durch.

Verkannte Helden

„Die medienöffentlichen Debatten sowie die wirtschaftspolitischen Diskussionen erscheinen seit den frühen 1990er-Jahren zwischen Verteidigung, Kritik und Skandal erstarrt“, berichtet Marcus Böick.

Ehemalige Treuhand-Mitarbeiter deuten ihr Engagement rückblickend als außergewöhnlichen Höhepunkt ihrer Berufslaufbahn, hadern jedoch mit ihrer anhaltend negativen Bewertung. „Sie sehen sich als kleine Gruppe verkannter Helden für eine nationale Sache“, fasst Constantin Goschler zusammen.

Jüngeren ist die Anstalt kein Begriff

Insbesondere unter Ostdeutschen über 40 erweist sich die Organisation als zentraler erinnerungskultureller Bezugspunkt. Die Befragten verbinden ihn überwiegend mit Begriffen wie „Ausverkauf“ und „Abwicklung“. Jüngeren Befragten ist die Treuhandanstalt hingegen kaum noch ein Begriff. „Man könnte von einer erinnerungskulturellen Bad Bank sprechen, mit der vor allem die ostdeutschen Generationen, die die Arbeit der Organisation bewusst erlebt haben, ihre negativ besetzten Umbruchserfahrungen symbolisch in Verbindung setzten“, so Böick.

Gerade diese Konstellation deute auf ein tiefsitzendes kulturelles Misstrauen in diesen Gruppen gegenüber den bundesdeutschen Institutionen hin, folgern die Forscher. Die Erinnerung an die Tätigkeit der Treuhandanstalt erweise sich als ein prägender Faktor der politischen Kultur Ostdeutschlands. Die Forscher empfehlen daher, dass Schulunterricht und universitäre Lehre sich künftig wieder mehr mit der Treuhandanstalt auseinandersetzen sollten.

Die Treuhandanstalt

Die Treuhandanstalt erhielt im Sommer 1990 über Nacht die Verfügungsgewalt über 8.000 Betriebe mit rund vier Millionen Beschäftigten. Diese vormals volkseigenen Betriebe sollte die Treuhandanstalt möglichst schnell in markt- und wettbewerbsfähige Unternehmen in Privatbesitz verwandeln. Ende 1992 hatte die Organisation unter der Führung von westdeutschen Industriemanagern, Unternehmern und Beamten diese Aufgabe weitgehend durch rasche Privatisierungen und zahlreiche Stilllegungen umgesetzt und dabei ein dreistelliges Milliardendefizit eingefahren.

Veröffentlicht

Montag
27. November 2017
09:35 Uhr

Von

Meike Drießen

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