Haben einen Trick entwickelt, um die komplizierte Physik in Atomkernen berechenbar zu machen: Evgeny Epelbaum (links) und Hermann Krebs
© RUB, Marquard

Teilchenphysik Physiker berechnen, wann Atomkerne instabil werden

Eine Studie unter Beteiligung von Bochumer Forschern weist den Weg zu einer exakten Antwort.

Wenn Atomkerne zu viele Neutronen enthalten, brechen sie auseinander. Ein internationales Physiker-Team hat nun erstmals eine Methode entwickelt, die eine exakte Berechnung ermöglicht, ab wann die Kerne instabil werden. An der internationalen Studie unter Federführung der Universität Bonn waren Prof. Dr. Evgeny Epelbaum und Dr. Hermann Krebs vom Institut für Theoretische Physik II der RUB maßgeblich beteiligt. Sie ist nun im renommierten Journal Physical Review Letters erschienen.

Zerfall war bisher nicht exakt berechenbar

Atome bestehen aus einer Hülle und einem Kern. Die Hülle wird von den negativ geladenen Elektronen gebildet. Sie sind dafür verantwortlich, dass Atome chemische Bindungen eingehen können. Der Kern ist dagegen positiv geladen. Er hält die Elektronen aufgrund der elektrostatischen Anziehung gewissermaßen fest. Für die positive Kernladung sorgen dabei die Protonen. Von ihnen gibt es stets genauso viele wie Elektronen. Atome sind daher insgesamt gesehen elektrisch neutral. Ein Kohlenstoff-Atom etwa besteht aus sechs Elektronen und sechs Protonen.

Daneben enthält der Kern des Kohlenstoff-Atoms aber auch noch ungeladene Teilchen, die Neutronen. Meist sind dies im Kohlenstoff ebenfalls sechs, es können aber auch sieben oder acht sein. Wenn der Kern eines Atoms jedoch zu viele Neutronen enthält, wird er instabil. Das Atom kann dann zerbrechen – es zerfällt. Wann das genau passiert, ist von Atom zu Atom unterschiedlich. Bisher ließ sich nicht exakt berechnen, bei wie vielen Neutronen dieser Punkt erreicht ist. Grund: Im Kern wirken unterschiedliche Kräfte. Die gängigen Algorithmen können manche davon genau kalkulieren, andere jedoch nur näherungsweise bestimmen.

Freiheitsberaubung im Atomkern

Anders die Methode, die Epelbaum, Krebs und ihre Kollegen nun publiziert haben. Diese basiert zunächst auf einer Art Freiheitsberaubung. In der Realität können sich die Protonen und Neutronen an beliebigen Stellen im Raum aufhalten. Für ihre Berechnungen schränkten die Wissenschaftler diese Freiheit jedoch ein. Sie ordneten die Kernteilchen auf den Knotenpunkten eines dreidimensionalen Gitters an. Für eine derartige Gitterkonfiguration lässt sich relativ einfach die Bindungsenergie zwischen den Teilchen bestimmen.

Im nächsten Schritt durften die Kernteilchen die Plätze tauschen. Dadurch entstand eine neue Gitterkonfiguration. Wenn diese energetisch günstiger war als die erste, diente sie als Basis für einen erneuten Platztausch. Diesen Schritt wiederholten die Forscher millionenfach und näherten sich dadurch immer mehr der Kern-Konfiguration, die energetisch optimal ist. Auf dieser Grundlage konnten sie berechnen, ob der Kern mit der vorgegebenen Anzahl von Protonen und Neutronen stabil ist oder nicht.

Entstehung der Elemente nach dem Urknall

Experten sprechen auch von einem Monte-Carlo-Verfahren. Die Ergebnisse erlauben einen detaillierteren Einblick in den Aufbau der Atomkerne. Die Beteiligten hoffen unter anderem, so die Entstehung der Elemente nach dem Urknall besser nachvollziehen können.

Kooperationspartner

An der Studie waren neben dem Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn Physiker des Forschungszentrums Jülich, der Ruhr-Universität Bochum sowie verschiedener US-Hochschulen beteiligt. Die Berechnungen wurden auf dem Supercomputer Juqueen am Forschungszentrum Jülich durchgeführt.

Originalveröffentlichung

Serdar Elhatisari, Evgeny Epelbaum, Hermann Krebs, Timo A. Lähde, Dean Lee, Ning Li, Bing-nan Lu, Ulf-G. Meißner, Gautam Rupak: Ab initio calculations of the isotopic dependence of nuclear clustering, in: Physical Review Letters, 2017, DOI: 10.1103/PhysRevLett.119.222505

Veröffentlicht

Freitag
08. Dezember 2017
10:04 Uhr

Von

Johannes Seiler
Universität Bonn

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