Kosmische Magnetfelder Ungeahnte Ordnung im All
Moderne Radioteleskope fördern Strukturen zutage, die niemand erwartet hätte.
Ein feiner Draht, teils vorm Hintergrund kaum auszumachen, ist alles, was man von der überirdischen Messtechnik der Radioteleskope sieht, die in Jülich in den Himmel schauen. Keine beeindruckend großen Schüsseln und Antennen, nur die pyramidenförmig aufgespannten Metallfäden auf der Wiese. „Es sind ganz normale Drähte, so wie man sie auch als Antenne an einem Radio findet“, erklärt Prof. Dr. Ralf-Jürgen Dettmar, dessen Team am Bau der Teleskopanlage Lofar, kurz für Low Frequency Array, am Forschungszentrum Jülich beteiligt war. Mit ihnen fangen die Astronomen Radiostrahlung von weit entfernten Galaxien auf. Der Jülicher Standort ist dabei nur einer von zahlreichen in Europa, die Daten in ein gemeinsames Netz einspeisen, das im niederländischen Groningen zusammenläuft.
Digitale Technik
Auch wenn die Teleskopantennen auf den ersten Blick unscheinbar aussehen, steckt Hightech in der Anlage. „Die Daten werden heute alle digitalisiert, sodass die Signale von mehreren Antennen leicht kombiniert und korreliert werden können“, erzählt Ralf-Jürgen Dettmar, der an der RUB den Lehrstuhl für Astronomie leitet. „Damit haben wir die Grenze des Beobachtbaren hinausgeschoben.“
Denn mit der Technik können Forscher Daten mit einer höheren Empfindlichkeit aufzeichnen und aus einem breiteren Frequenzband auswerten als zu nicht-digitalen Zeiten, in denen sämtliche Verbindungen mit kleinen Kabeln hergestellt werden mussten. Das führt auch dazu, dass heute wesentlich mehr Daten anfallen als früher. „Wo wir damals einen Messpunkt hatten, sind es heute 1.024 oder 2.048 oder sogar noch mehr“, verdeutlicht Dettmar.
Alle neuen Radioteleskope funktionieren mit digitaler Technik. Die RUB-Gruppe ist an verschiedenen Großforschungsprojekten weltweit beteiligt, indem sie neue Methoden für die Datenanalyse entwickelt und bestimmte kosmische Phänomene untersucht, etwa galaktische Magnetfelder, die sich indirekt mit Radioteleskopen messen lassen.
Galaktische Magnetfelder
Die Radiostrahlung entsteht durch folgenden Mechanismus: In gewaltigen Sternenexplosionen werden freie Elektronen beschleunigt, die aufgrund ihrer Ladung im kosmischen Magnetfeld eine schnelle Kreiselbewegung vollführen. Dabei senden sie Strahlung im Radiowellenbereich aus. Da die Kreiselbewegung an das Magnetfeld gekoppelt ist, enthält die Strahlung Information über das Magnetfeld selbst. Die Teleskope zeichnen Punkt für Punkt ein Bild der Strahlungsverteilung in einem bestimmten Himmelsbereich auf, und die Forscher können anhand der Radiosignale die Stärke und Richtung des Magnetfeldes berechnen.
Früher hat man geglaubt, dass die Magnetfelder in der Scheibe gefangen sind.
Ralf-Jürgen Dettmar
Ralf-Jürgen Dettmars Team hat mit dieser Methode schon einige neue Erkenntnisse über die Magnetfelder von Galaxien gesammelt. „Galaxien wie unsere Milchstraße sind relativ platte Objekte, die wir uns als Scheibe vorstellen müssen“, veranschaulicht er. „Früher hat man geglaubt, dass die Magnetfelder in der Scheibe gefangen sind.“ Die Bochumer Astronomen belegten jedoch, dass das nicht stimmt.
Chaotische Prozesse erzeugen großräumige Struktur
„Wir haben gezeigt, dass das Magnetfeld aus der Scheibe herausguckt“, erzählt Dettmar. Ähnlich wie das Erdmagnetfeld unseren Planeten umgibt, erstreckt sich das galaktische Magnetfeld von der Scheibe in das intergalaktische Medium, also den Raum zwischen den Galaxien. „Aber das wirklich Überraschende war: Das Magnetfeld der ersten Galaxie, die wir untersucht hatten, hatte eine großskalige reguläre Struktur“, so der Astronom.
Das ist erstaunlich, wenn man den Ursprung der Magnetfelder betrachtet. Sie entstehen durch den turbulenten Prozess der Sternenexplosion. Immer wieder gehen Sterne einer Galaxie in Supernovae unter, wobei die Folgen einer solchen Explosion über Millionen von Jahren nachwirken. Die Energieausbrüche aller Supernovae zusammengenommen erzeugen das Magnetfeld der Galaxie. Dass aus einem solch chaotischen Prozess ein großräumig geordnetes Magnetfeld hervorgeht, verblüffte die Forscher. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind bislang nicht vollständig verstanden.
Kein Einzelfall
Zunächst galt es für die Bochumer Astronominnen und Astronomen zu zeigen, dass ihre Beobachtung kein Einzelfall war. „Die Messtechnik ist durch die Digitalisierung so viel besser geworden, dass wir eine größere Stichprobe erheben konnten“, sagt Ralf-Jürgen Dettmar. Im ersten Anlauf hatten die Forscher nur drei Galaxien untersuchen können. Inzwischen liegen ihnen Daten von rund 40 Galaxien vor, die in 400 Stunden Messzeit an einer nordamerikanischen Teleskopanlage erhoben wurden. Die Aufzeichnung erfolgte bereits 2011 und 2012; fünf Jahre später liegen nun erste Ergebnisse der Analysen vor.
„Durch die Digitalisierung fielen plötzlich so viele Daten an, dass wir erst einmal eine passende Ausstattung brauchten, um sie handhaben zu können“, erzählt Dettmar. Auch die alten Analysemethoden waren nicht mehr ausreichend; neue Algorithmen mussten her, um Magnetfeldstärke und -ausrichtung aus dem großen Datenvolumen berechnen zu können.
Ursachen für großräumige Struktur unklar
Auf die Magnetfeldstärke schließen die Forscher anhand der Intensität der gemessenen Radiostrahlung. Die Magnetfeldrichtung berechnen sie aus der Polarisationsrichtung der empfangenen Strahlung. „Die Strahlung kommt allerdings aus einem turbulenten Medium, in dem Teilchen mit hohen Geschwindigkeiten verwirbelt werden“, beschreibt der Bochumer Astronom. „Die Magnetfeldlinien sind also alle miteinander verwoben, und es ist nicht allzu einfach, die Richtung zu berechnen.“ Dennoch traten die großräumigen Strukturen in den galaktischen Magnetfeldern klar zutage.
Fast alle untersuchten Galaxien weisen ein großräumig strukturiertes Magnetfeld auf, allerdings gibt es ein paar Ausreißer, bei denen keine solche Struktur zu erkennen ist. Hinzu kommt, dass die Struktur nicht bei allen Galaxien identisch ist. „Bislang können wir nur spekulieren, woran das liegt“, sagt Dettmar. „Es könnte etwas mit der jeweiligen Art der Galaxie zu tun haben. Aber wir wissen es noch nicht.“ Diese Frage wird ihn und seine Arbeitsgruppe weiter umtreiben. Ebenso wie ein paar andere Rätsel, die die kosmischen Magnetfelder bislang noch aufgeben.
Eine Frage der Empfindlichkeit
Unklar ist zum Beispiel, wie groß das Magnetfeld ist, das eine Galaxie umgibt. „Wir sehen bislang keine Kante“, erklärt Dettmar. Mit zunehmender Entfernung von der Galaxie wird das Magnetfeld schwächer – und somit auch schwerer zu beobachten. Je länger die Astronomen ihre Teleskope darauf richten, desto empfindlicher ist die Messung, da Signale aus einem größeren Zeitfenster integriert werden können. Je länger sie also eine Galaxie beobachten, desto schwächere und ausgedehntere Magnetfelder sehen sie, weil sie auch die schwächeren Bereiche detektieren können. Ein Ende haben sie bislang nicht entdeckt.
Es ist an der Grenze des Machbaren.
Ralf-Jürgen Dettmar
Dettmar hofft, dass die Technik eines Tages sensibel genug ist, um auch den intergalaktischen Magnetfeldern auf die Schliche zu kommen. „Es gibt Theorien, dass das intergalaktische Medium von Magnetfeldern erfüllt ist, aber sie müssten wesentlich schwächer sein als die galaktischen Felder“, sagt er. „Im Moment können wir sie nicht direkt beobachten, es ist an der Grenze des Machbaren.“
Schnittstellen zu anderen Disziplinen
Ein detailliertes Verständnis der Magnetfelder im Weltall könnte helfen, andere kosmische Phänomene zu ergründen. Etwa wie sich die Materie so auf die Galaxien verteilt hat, wie wir es heute beobachten, oder was die Quellen der kosmischen Strahlung sind.
Solche Fragen an der Schnittstelle verschiedener Disziplinen bearbeiten die Mitglieder im Ruhr Astroparticle Plasma Physics Center, dem auch Ralf-Jürgen Dettmar angehört. Die Einrichtung versammelt 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ruhrgebiet, die in der Astro-, Teilchen- und Plasmaphysik forschen. Gemeinsam wollen sie künftig Fragen beantworten, die keine Disziplin für sich alleine klären kann.