Menschen beurteilen anders, als Moralphilosophen es gern hätten – so lautet ein Fazit von Albert Newen und Pascale Willemsen. © RUB, Kramer

Philosophie Warum der Chef immer schuld ist

Wenn es darum geht, Lob und Tadel zu verteilen, kommt ein Boss schlechter weg als ein Angestellter. Das hat scheinbar nichts damit zu tun, ob er die schlechten Entscheidungen selber gefällt hat.

Ein Angestellter erhält für positive Konsequenzen seines Handelns deutlich mehr Lob als sein Boss; für negative Konsequenzen hingegen muss der Chef den Kopf hinhalten, ob er schuld ist oder nicht. Bochumer und Kölner Forscher zeigten, dass bei der Zuschreibung von Lob und Tadel – anders als bislang angenommen – scheinbar der soziale Status der handelnden Person entscheidend ist. Bisherige Theorien waren davon ausgegangen, dass nur der Grad, zu dem eine Person Einfluss auf eine Situation nehmen kann, entscheidend ist.

„In der Ethik wird typischerweise angenommen, dass für die Menge an Lob und Tadel, die jemand verdient, drei Faktoren relevant sind: was er getan hat, wie schlimm die Konsequenzen seines Handelns für andere sind und welche Absichten er verfolgt hat“, sagt Willemsen. „Aber so läuft es in der Praxis nicht.“

Soziale Rolle bedeutender als angenommen

Die Bochumer Philosophen Pascale Willemsen und Prof. Dr. Albert Newen ließen in Zusammenarbeit mit ihrem Kölner Kollegen Prof. Dr. Dr. Kai Kaspar Probanden in einer Online-Studie Stellung zu folgender Situation nehmen: Nicht der Boss, sondern ein Angestellter trifft eine wichtige Entscheidung im Unternehmen. Beiden ist dabei bewusst, dass die Entscheidung zwar im Interesse der Firma ist, aber negative Effekte für die Umwelt haben wird – und beiden ist das egal. In dem Experiment erhielt der Boss mehr Tadel als der Angestellte, obwohl er die Entscheidung nicht selbst getroffen hatte.

„Die philosophische Ethik vernachlässigt die soziale Verankerung ethischer Beurteilungen bislang“, so Albert Newen. „Dabei zeigen empirische Befunde, dass Menschen ihre moralischen Urteile auf andere Weise fällen, als Moralphilosophen es gerne hätten.“

Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift „Philosophical Psychology“ veröffentlicht.

Veröffentlicht

Dienstag
20. Februar 2018
13:48 Uhr

Von

Julia Weiler

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