Junge Nilkrododile wie diese konnten die Forscher zum ersten Mal im Kernspintomografen untersuchen.
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Biopsychologie „Es war ein Abenteuer“

Warum Felix Ströckens und Mehdi Behroozi Krokodilen im Kernspintomografen Musik vorgespielt haben.

Krokodile haben sich in den vergangenen 200 Millionen Jahren kaum verändert und stellen eine Brücke zwischen den Dinosauriern und den Vögeln dar. Ihre Untersuchung erlaubt daher einen tiefen Einblick in die Evolution. Dr. Felix Ströckens und Mehdi Behroozi gehören zu einem Forscherteam, das am Lehrstuhl für Biopsychologie der RUB die Reptilien zum ersten Mal mit der funktionellen Kernspintomografie untersuchen konnte.

Wo haben Sie die Krokodile untersucht?
Felix Ströckens: Untersucht haben wir die Tiere im Kleintierscanner der RUB hier auf dem Campus. Wir hatten insgesamt sechs Nilkrokodile hier, die von einer Krokodilfarm in Frankreich stammten, die Reptilien für Zoos in ganz Europa züchtet. Die Krokodile wurden von dort nach Bochum transportiert und hier im Bochumer Tierpark, mit dem wir für diese Studie zusammengearbeitet haben, untergebracht. Insgesamt waren die Krokodile zweieinhalb Wochen hier in Bochum und wurden dann zurück nach Frankreich gebracht.

Wie groß muss man sich die Tiere denn vorstellen?
Ströckens: Die Krokodile waren noch recht jung, erst um ein Jahr alt. Daher waren sie nur etwa einen Meter lang.

Mehdi Behroozi: Größere Tiere hätten auch gar nicht in den Scanner gepasst. Eines der sechs Krokodile war sogar schon zu groß, sodass wir es nicht mehr untersuchen konnten.

Sie konnten zum ersten Mal Reptilien mit dieser Methode untersuchen. Warum ist das so schwierig?
Behroozi: Um die funktionelle Kernspintomografie nutzen zu können, mussten wir einige Anpassungen am Scanprozess vornehmen. Die Methode basiert darauf, dass die Sauerstoffsättigung des Blutes gemessen wird. In Gehirnbereichen, die sehr aktiv sind, nimmt die Sauerstoffsättigung ab. Das kann man sichtbar machen und so die Aktivität in diesen Bereichen indirekt bestimmen.

Hinzu kommt noch, dass Krokodile nicht so gleichmäßig atmen wie wir.


Mehdi Beroozi

Nun ist es aber so, dass die Aufnahmefähigkeit des Bluts für Sauerstoff auch von der Temperatur abhängt. Während die Körpertemperatur bei Säugetieren und Vögeln konstant ist, schwankt sie bei Reptilien. Wir mussten deswegen dafür sorgen, dass die Temperatur im Scanner während der Untersuchungen konstant blieb. Das war eine Herausforderung, weil der Scanner selbst während der Messungen Hitze produziert. Dies mussten wir in den Scanprozess mit einfließen lassen. Der MRT-Spezialist in unserem Team, Xavier Helluy, hat das zum Glück super hinbekommen.

Hinzu kommt noch, dass Krokodile nicht so gleichmäßig atmen wie wir. Sie machen alle paar Minuten einen sehr tiefen Atemzug, nach dem die Sauerstoffsättigung im Blut stark ansteigt. Auch das mussten wir einkalkulieren.

Hatten Sie vor den Krokodilen keine Angst?
Ströckens (lacht): Ich für meinen Teil schon. Zum Glück hatten wir unseren Kollegen Brendon Billings von der Universität in Johannesburg mit dabei, der sehr erfahren im Umgang mit Krokodilen ist. Trotzdem musste den Tieren für die Untersuchungen das Maul zugebunden werden, sonst wäre es zu gefährlich gewesen.

Ein wütendes Krokodil hätte sich trotz Fixierung leicht losreißen können.


Mehdi Beroozi

Eigentlich sollten die Krokodile während der Untersuchung auch betäubt sein. Überraschenderweise mussten wir aber feststellen, dass das Standardnarkosemittel, das man bei Kernspin-Untersuchungen benutzt, bei Krokodilen nicht wirklich gut wirkt. Die Krokodile waren während der Untersuchung daher ziemlich wach, was uns zunächst sehr beunruhigt hat.

Behroozi: Ein wütendes Krokodil hätte sich trotz Fixierung leicht losreißen und teure Ausrüstung beschädigen können. Dann haben wir aber bemerkt, dass es den Tieren im Scanner ganz gut gefallen hat. Wir hatten eine Kamera, mit der wir sie beobachten konnten, und man konnte sehen, dass sie zwischendurch immer mal wieder die Augen geöffnet und sich umgeguckt haben, aber sonst ganz ruhig waren. Das hat mich überrascht.

Den Krokodilen gefiel es im Scanner

Ströckens: Wir vermuten, dass sie sich im engen Scanner sogar recht wohl gefühlt haben könnten. Nilkrokodile verbringen die heiße, trockene Sommerzeit zum Teil in engen Erdhöhlen, um kühl zu bleiben und nicht auszutrocknen. Vielleicht hat sie die enge, aber angenehm warme Scannerröhre daran erinnert. Dass die Krokodile bei den Untersuchungen wach waren, hatte auch Vorteile, denn so konnten wir natürlichere Signale auswerten, als dies bei betäubten Tieren der Fall gewesen wäre.

Wie haben sich die Tiere ansonsten verhalten?
Ströckens: Die Krokodile waren sehr ruhig. Davon darf man sich aber nicht täuschen lassen: Sie sind Lauerjäger, und wenn ein Beutetier vorbeikommt, können sie sehr schnell zuschnappen. Dazu kommt noch, dass sie, vor allem in Schwanz und Kiefer, eine sehr starke Muskulatur besitzen. Als wir eines der Krokodile nach einer Untersuchung zurück in die Transportbox gesetzt hatten, und ihm das nicht gefiel, fing es an, die Box von innen heraus zu zerlegen. Es war schon ein Abenteuer, aber dank unseres Kollegen Brendon ging alles gut und keiner von uns oder den Tieren wurde verletzt.

Mehdi Behroozi (links) und Felix Ströckens mit dem Kleintierscanner, in dem die Krokodile untersucht wurden.
© RUB, Marquard

Warum haben sie den Tieren klassische Musik vorgespielt?
Behroozi: Klassische Musik besteht aus einer komplexen Mischung aus zahlreichen Frequenzen. Das Ziel war es herauszufinden, in welchen Gehirnarealen einfache und komplexe Reize verarbeitet werden und ob dies vergleichbar zu Säugern und Vögeln geschieht. Wir brauchten einen komplexen akustischen Reiz, der aber für das Tier möglichst unbekannt ist, um nicht eine ungewollte, vielleicht sogar aggressive Reaktion zu provozieren. Da unsere Krokodile noch nie klassische Musik gehört hatten und diese Art von Reiz schon in der Vergangenheit bei Vögeln verwendet wurde, schien uns diese Art von Stimulus als geeignet.

Die Untersuchung von Krokodilen erlaubt einen Blick zurück in die Entwicklungsgeschichte der Vögel.


Felix Ströckens

War es schon immer Ihr Traum, Krokodile zu scannen?
Ströckens: Ich bin von Haus aus Vogelforscher. Da Krokodile evolutionär betrachtet ein Bindeglied zwischen Vögeln und Dinosauriern sind, erlaubt ihre Untersuchung einen Blick zurück in die Entwicklungsgeschichte der Vögel. Das war für mich sehr reizvoll.

Behroozi: Als biomedizinischer Ingenieur wollte ich schon immer die funktionelle Kernspintomografie in einer neuer Spezies etablieren. In Kernspintomografieuntersuchungen sind Bewegungen des Probanden oder des Tiers immer ein Problem. Wie wir gemerkt haben, scheint das Krokodil, was diesen Punkt angeht, ideal geeignet zu sein.

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Veröffentlicht

Donnerstag
03. Mai 2018
08:52 Uhr

Von

Meike Drießen

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