Geowissenschaften Was unter dem Wald schläft

Unter dem Waldboden sind große Mengen an Jahrtausende altem Kohlenstoff gespeichert. Er sollte besser auch dort bleiben.

Gar nicht so tief unter der Oberfläche des Waldbodens beginnt ein weitgehend unbekanntes Terrain. Während man über die Prozesse der obersten 30 Zentimeter des Bodens gut Bescheid weiß, stehen tiefere Bereiche des Erdreichs im Fokus einer Forschungsgruppe unter Leitung von Prof. Dr. Bernd Marschner vom Geographischen Institut der Fakultät für Geowissenschaften der Ruhr-Universität Bochum. Hier, unterhalb des Humus und oberhalb des Gesteins, ist doppelt so viel Kohlenstoff gespeichert wie in der Atmosphäre und Vegetation zusammen. Diese Erdschichten stehen im Zentrum der Arbeiten, die seit 2013 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft innerhalb der Forschergruppe Subsom gefördert werden.

Über die Hälfte des Kohlenstoffs im Boden befindet sich tiefer als 30 Zentimeter unter der Oberfläche – wie lange schon? Gibt es dort Leben? Findet ein Austausch des Kohlenstoffs mit dem in der Atmosphäre statt?

Repräsentative Böden

Um diese Fragen zu klären, wählten die beteiligten Forscherinnen und Forscher aus ganz Deutschland fünf Waldgebiete für eingehende Tests aus. „Wir konzentrieren uns auf Buchenwälder in Niedersachsen in der Nähe von Göttingen und Hannover, die auf unterschiedlichen Gesteinen liegen“, so Bernd Marschner. Die gewählten Böden sind repräsentativ für die nördliche Erdhalbkugel.

Ein Bagger transportiert das Bohrwerkzeug für die Observatorienschächte im Grinderwald. © Bernd Marschner

Um Zugriff zum tiefen Waldboden zu bekommen, installierten die Forscherinnen und Forscher zwei Meter tiefe Schächte mit gut anderthalb Metern Durchmesser, von denen aus eine Vielzahl unterschiedlicher Messsonden in den Boden ragen. Damit werden seit 2013 verschiedene Parameter ermittelt, etwa die Feuchte des Bodens, die Menge des gelösten Kohlenstoffs in der Bodenlösung und Kohlendioxid (CO2) in der Bodenluft.

Blätter aus dem Labor

Um herauszufinden, wie der Kohlenstoff in die tiefen Bodenschichten, die Forscher sprechen von Bodenhorizonten, gelangt, nahmen sie unter anderem das Laub der Buchen unter die Lupe. Die etwa 100 Jahre alten Bäume haben gegenüber Nadelbäumen den Vorteil, dass sie ihre Blätter im jahreszeitlichen Rhythmus verlieren. Jeden Herbst fallen sie zu Boden und werden dort von Pilzen, Bakterien und anderen Mikroorganismen zersetzt, wobei der Kohlenstoff wieder freigesetzt wird. Unbekannt war, wie viel des in den Blättern enthaltenen Kohlenstoffs so jeweils in den Boden gelangt.

Nachdem das Stahlrohr in den Boden gebohrt war, entleerten die Forscher es per Hand. Danach konnte das Rohr wieder entfernt werden, und die Kunststoffschächte der Observatorien wurden eingesetzt. © Bernd Marschner

Die Wissenschaftler ließen daher Buchen im Labor einer Spezialfirma mit CO2 begasen, das eine schwere Form des Kohlenstoffs (13C) enthielt. Die Blätter der Bäume nahmen bei der Fotosynthese das so markierte Gas auf und wurden damit selbst markiert. Im Herbst entfernte das Team vor Ort um die Messschächte alle von den Buchen gefallenen Blätter sorgfältig und streute stattdessen das im Labor gesammelte markierte Laub auf dem Waldboden aus. So konnten die Forscherinnen und Forscher später feststellen, wie viel markierter Kohlenstoff wie tief in den Boden eingedrungen war.

Kohlenstoff in der Tiefe ist über 1.000 Jahre alt

„Zu unserer Überraschung haben wir dabei festgestellt, dass weniger als ein Prozent des Kohlenstoffs aus den Blättern in die tieferen Bodenschichten gelangt war“, erzählt Bernd Marschner. „Der ganze Rest wurde schon an der Oberfläche zersetzt und ist als CO2 wieder in die Atmosphäre gelangt.“

Der Kohlenstoff in der Tiefe ist also sehr alt, unterhalb von 50 Zentimetern oft über 1.000 Jahre. Kohlenstoff, der neu in den Boden gelangt, kommt am ehesten über Baumwurzeln dorthin, haben die Forscherinnen und Forscher beobachtet. „Allerdings sind Wurzeln von einem Biofilm bedeckt, der ihre Ausscheidungen gleich wieder aufnimmt und verdaut“, so Marschner. Auch von absterbenden Wurzeln bleibt daher nur wenig Kohlenstoff im Boden zurück, weil sie gleich wieder verstoffwechselt werden.

Kleinste Mengen eines Bodenextrakts werden benötigt, um die Aktivität der Bodenenzyme zu bestimmen. © Damian Gorczany

Bleibt die Frage, woher der alte Kohlenstoff im Boden stammt. „Wir nehmen an aus dem Gestein selbst, das durch Verwitterung zerkleinert wird, bis es Erdreich ist“, so Bernd Marschner. „Merkwürdig ist, dass der Kohlenstoff im Boden so unberührt bleibt, obwohl in tiefen Bodenschichten Leben existiert, das ihn verdauen könnte“, erklärt der Bodenkundler. Warum verstoffwechseln ihn diese Lebewesen nicht?

Mikroorganismen aushungern

Dazu stellte das Team zwei Theorien auf: Entweder die Mikroorganismen sind nicht hungrig genug, um diesen Kohlenstoff anzutasten, oder es fehlt ihnen etwas, um ihn fressen zu können. Um diese Theorien zu überprüfen, starteten die Forscher zwei Experimente. Für ein Aushungerungsexperiment entnahmen sie unberührten Boden und inkubierten ihn für zwei Jahre im Labor. Dann soll sich zeigen, ob die in ihm enthaltenen Mikroorganismen irgendwann doch an den alten Kohlenstoff gehen, wenn ihnen mögliche andere, bisher unbekannte Nahrungsquellen ausgehen.

Um enzymatische Hotspots im Unterboden zu identifizieren, werten die Forscher Bilder aus. © Damian Gorczany

Eventuell liegt die Zurückhaltung der Mikroorganismen aber auch nicht daran, dass sie ausreichend andere Nahrungsquellen zur Verfügung haben, sondern es fehlt ihnen etwas, um den alten Kohlenstoff zu fressen. „Vielleicht befinden sie sich wegen eines Mangels in einer Art Tiefschlaf, in dem sie fast ohne Nahrung lange überdauern können“, erklärt Bernd Marschner.

Um das zu überprüfen, untersuchte das Team der Forschungsgruppe einen halben Zentimeter dünne Scheiben des Bodens auf Stoffwechselaktivitäten. Sie untersuchten, wo im Boden bestimmte Enzyme aktiv waren. Dabei konnten sie nur an wenigen kleinen Stellen, Hotspots genannt, eine solche Aktivität nachweisen. Im übrigen Boden fand kein Stoffwechsel statt.

Zuckerlösung weckt auf

Im nächsten Schritt besprühten die Forscherinnen und Forscher die Bodenscheiben mit Zuckerlösung. „Das ist etwas, auf das alle Mikroorganismen fliegen, das sie sofort verdauen“, erklärt Marschner. Eine anschließende zweite Analyse der Enzymaktivität zeigte Stoffwechselaktivitäten nahezu überall in der ganzen Probe – außer an den Hotspots, die schon zuvor aktiv gewesen waren. „Das erhärtet unseren Verdacht, dass den Mikroorganismen etwas fehlt, das sie zur Aktivität anregt“, so Marschner. „Die Lebewesen an den Hotspots haben das anscheinend nicht nötig, daher explodiert ihre Stoffwechselaktivität in der Folge auch nicht.“

Dünger im Waldboden

In weiteren Experimenten wollen die Bodenwissenschaftler solche Bodenscheiben mit anderen Stoffen behandeln, um herauszufinden, was neben der Zuckerlösung noch dazu führen könnte, dass die im Boden befindlichen Kleinstlebewesen anfangen, den alten Kohlenstoff zu verstoffwechseln. Besonders interessant dabei sind Stoffe wie Phosphor und Stickstoff, die in vielen Düngern enthalten sind. Durch Überdüngung gelangen solche Elemente mitunter auch in den Waldboden.

Dr. Julian Heitkötter (links) und Michael Herre im Labor © Damian Gorczany

„Diese Frage ist deswegen besonders interessant, weil wir möglichst vermeiden sollten, dass der im Boden gespeicherte alte Kohlenstoff verstoffwechselt wird und als CO2 in die Atmosphäre gelangt“, so Bernd Marschner. „CO2 als Klimagas würde sonst den Klimawandel extrem anheizen.“

In Böden sind global rund 1.500 bis 2.200 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert, davon etwas mehr als die Hälfte in Unterböden. Die jährlichen CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe betragen global rund 35 Milliarden Tonnen CO2, also knapp 10 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Würde nur ein Prozent der Bodenvorräte an Kohlenstoff mineralisiert, wären dies 15 bis 22 Milliarden Tonnen, die als CO2 in die Atmosphäre gelangen könnten.

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Veröffentlicht

Freitag
12. Oktober 2018
10:27 Uhr

Von

Meike Drießen

Dieser Artikel ist am 5. November 2018 in Rubin 2/2018 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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