So wohnen Wasserflöhe an der RUB. Luxi Chen (links) und Linda Weiss untersuchen sie.
© RUB, Marquard

Biologie Wasserflöhe im Standby

Wenn die Umweltbedingungen ungünstig sind, können sich Wasserflöhe Jahrzehnte oder Jahrhunderte lang in einen Dornröschenschlaf begeben. RUB-Forscherinnen haben einen ihrer Tricks entschlüsselt.

Zu wenig Nahrung, veränderte Licht- und Temperaturverhältnisse oder zu viel Konkurrenz durch Artgenossen können Wasserflöhe der Gattung Daphnia in einen sehr langen Schlaf versetzen – oder genauer gesagt: ihre Nachkommen. „Sind die Umweltbedingungen ungünstig, bringen Daphnien keine lebenden Nachkommen zur Welt wie üblicherweise, sondern produzieren Embryonen, die in ihrer Entwicklung gehemmt sind“, erklärt Dr. Linda Weiss vom Lehrstuhl Evolutionsökologie und Biodiversität der Tiere der RUB. Diese werden umgeben von einer schützenden Hülle ins Sediment abgelegt. Die Embryos schlüpfen erst, wenn sich die Bedingungen gebessert haben. Und das kann dauern.

„Im längsten bekannten Fall sind die Embryos nach 700 Jahren aus ihrer schützenden Hülle geschlüpft, allerdings im Labor“, so die Biologin. „In der Natur nutzen sie den Mechanismus regelmäßig, um den Winter zu überdauern.“

Versuch nach 700 Jahren

Um Jahrhunderte alte Dauereier von Daphnien zu gewinnen, isolieren Forscher Bohrkerne mit Sediment aus Seen. Diese können sie datieren und so auch das Alter der Fundstücke schätzen. Im Labor können sie anschließend überprüfen, ob aus den schützenden Hüllen noch Embryonen schlüpfen können.

Energie sparen im Dornröschenschlaf

Solch ein Dornröschenschlaf kann nur gelingen, wenn die Daphnien mit ihren Ressourcen gut haushalten. Wie ihnen das gelingt, haben Linda Weiss und Luxi Chen gemeinsam mit Kollegen untersucht. Sie fanden heraus, dass die Zellen der Daphnien-Embryos einige Umbaumaßnahmen vornehmen, um Energie zu sparen. Gleichzeitig erhalten sie die innere Struktur so weit aufrecht, dass sie bei günstigen Umweltbedingungen schnell wieder den Stoffwechsel ankurbeln und schlüpfen können.

Unter günstigen Umweltbedingungen bringen Daphnien lebende Embryos zur Welt, hier auf der linken Seite am Rücken des Tieres sichtbar. Unter ungünstigen Umweltbedingungen (rechts) verpacken die Daphnien die Tiere in eine schützende Hülle und legen sie in Form sogenannter Dauereier ab.
© Lehrstuhl für Evolutionsökologie und Biodiversität der Tiere, Linda Weiss

Im Labor kultivierten die Forscherinnen und Forscher Daphnien sowohl unter günstigen als auch unter ungünstigen Umweltbedingungen. Dann verglichen sie die Embryonen, wobei sie sich speziell für das Zytoskelett interessierten. Dieses Gerüst aus Proteinen durchzieht das Innere der Zellen. Es garantiert zum Beispiel, dass sich die Zellen teilen können, sorgt für Stabilität und ist an Transportprozessen in der Zelle beteiligt. Zwei wesentliche Bestandteile des Zytoskeletts sind die Proteine Alpha-Tubulin und Aktin.

Umbau in den Zellen

Embryos, die unter ungünstigen Umweltbedingungen in der schützenden Hülle abgelegt wurden, reduzierten ihr Zytoskelett auf das absolute Minimum. Die Alpha-Tubuline verschwanden fast vollständig, die Aktin-Bestandteile waren nur noch im Umfeld des Zellkerns vorhanden, wo sie eine gewisse Form und Stabilität der Zelle gewährleisten. „Mit dem Erwachen aus dem Dornröschenschlaf werden alle Zytoskelett-Bestandteile wiederaufgebaut, sodass sie ihre Funktionen in der Zelle wieder übernehmen können“, sagt Linda Weiss.

Die Ergebnisse beschreibt das RUB-Team gemeinsam mit Kollegen aus Birmingham und Madrid in der Zeitschrift BMC Cell Biology, online veröffentlicht am 29. Dezember 2018.

Originalveröffentlichung

Luxi Chen, Rosemary E. Barnett, Martin Horstmann, Verena Bamberger, Lea Heberle, Nina Krebs, John K. Colbourne, Rocío Gómez, Linda C. Weiss: Mitotic activity patterns and cytoskeletal changes throughout the progression of diapause developmental program in Daphnia, in: BMC Genomics, 2019, DOI: 10.1186/s12860-018-0181-0

Veröffentlicht

Donnerstag
10. Januar 2019
08:59 Uhr

Von

Julia Weiler

Teilen