Cochlea-Implantat Die Bremsen im Gehirn lösen
Wer wegen einer hochgradigen Schwerhörigkeit ein Cochlea-Implantat bekommt, muss neu hören lernen. Wie Tanzen dabei helfen kann.
Wenn Menschen das Gehör verlieren, ihr Hörnerv aber noch funktionsfähig ist, kann ein Cochlea-Implantat (CI) helfen. Das Implantat, das in die Hörschnecke eingesetzt wird, setzt empfangene Schallwellen in elektrische Signale um und stimuliert damit den Hörnerv direkt.
Zwei Jahre Reha
„Die Operation, in der das Implantat eingesetzt wird, ist heute Routine“, sagt Privatdozentin Dr. Christiane Völter vom Cochlea-Implantat-Zentrum der RUB-Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde im St. Elisabeth-Hospital Bochum. Die Höreindrücke, die die Patientinnen und Patienten nach dem Eingriff haben, unterscheiden sich aber wesentlich von denen, die ein normalhörender Mensch hat.
Daher schließt sich an die Operation eine zweijährige Rehabilitationsphase an. „Dazu gehören eine logopädische Hör- und Sprachtherapie, aber auch andere Therapieangebote, wie eine Musiktherapie oder ein psychologischer Gesprächskreis“, erläutert Völter. Daneben verstärken sich bei einem Teil der Patienten, vor allem bei den älteren, nach der Operation manchmal die bereits vorher vorhandenen Gleichgewichtsprobleme oder treten neu auf, da das Gleichgewichtsorgan ganz in der Nähe der Hörschnecke liegt.
Tanzlehrer wird gesponsert
Besonders wirkungsvoll in der Behandlung ist eine sogenannte multimodale Stimulation, das heißt die Reizung verschiedener Eingangskanäle des Gehirns zur selben Zeit. So kamen die Spezialisten aus Völters Team auf die Idee, es mit Tanzen zu versuchen. „Wir wollen so die Plastizität des Gehirns anregen, sozusagen seine Bremsen lösen und es dazu bringen, sich an die neuen Eingangsreize anzupassen. Das geht bis ins hohe Alter. Daher haben wir Kontakt aufgenommen zu Dr. Hubert Dinse vom Institut für Neuroinformatik der RUB, der schon in der Vergangenheit die positive Wirkung von Tanz auf ältere Menschen nachgewiesen hatte“, so Christiane Völter. Auf diese Weise kam die aktuelle Tanzstudie zustande, für die der Allgemeine Deutsche Tanzlehrerverband sogar einen Tanzlehrer sponsert.
Die Studie dauert insgesamt ein Jahr. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterziehen sich zu Beginn verschiedenen Tests, die zeigen, wie gut sie hören und sprechen können, wie ihr Gleichgewichtssinn funktioniert, wie ihr psychisches Befinden ist. Dann startet der wöchentliche Tanzkurs. „Dabei geht es natürlich um Bewegung im Rhythmus, mit Musik, aber auch um Zuhören, Interaktion und Kommunikation“, sagt Thomas Püttmann-Lenz, der als Tanzlehrer die Stunde leitet.
An die Musik für CI-Patienten tastet er sich heran. Zuerst hören die Teilnehmer nur den Rhythmus alleine, können den Lautsprecher anfassen, um den Takt zu fühlen. Dann gibt es das Ganze mit Melodie. Die Wahrnehmung der Musik ist für CI-Implantierte ganz anders als für normalhörende Menschen. Das Tanzen funktioniert trotzdem und wird immer besser. „Jetzt, wo alle die Schritte beherrschen, können sie sich auch auf die Musik besser konzentrieren“, so Püttmann-Lenz, der auch für gute Laune sorgt. Spaß haben alle, eine Teilnehmerin reist sogar wöchentlich aus Bonn an.
Am Ende der Studie werden die Tests vom Beginn noch einmal gemacht, auch bei einer Kontrollgruppe, die keinen Tanzkurs besucht hat. Dann wird sich zeigen, ob sich die positiven Auswirkungen des Tanzes, die die Tänzer spüren, auch wissenschaftlich belegen lassen.