Noch ist die Arktis im Sommer von Eis bedeckt. Prognosen zufolge könnte das in 10 bis 20 Jahren anders aussehen.
© Julia Weiler

Geowissenschaft Wie Permafrost und arktisches Meereseis zusammenhängen

1,5 Millionen Jahre blicken Forscher in die Vergangenheit – und wagen eine Prognose für die kommenden Jahrzehnte.

Zeiten ohne Meereseis in der Arktis sind auch Zeiten ohne Permafrost in Sibirien gewesen – zumindest in den vergangenen 1,5 Millionen Jahren. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam in der internationalen Top-Zeitschrift Nature, online veröffentlicht am 8. Januar 2020, nach Analysen von Tropfsteinen aus sibirischen Höhlen. Diese erlauben Rückschlüsse, wann der Boden dauerhaft gefroren war und wann nicht.

„Uns interessieren diese Zusammenhänge, weil seit einigen Jahren beobachtet wird, dass es immer weniger Meereseis im Sommer in der Arktis gibt“, erklärt Dr. Sebastian Breitenbach, der an der RUB an der Studie mitwirkte und inzwischen an die britische Northumbria University in Newcastle upon Tyne gewechselt ist. Schätzungen zufolge könnte der Nordpol bereits in 10 bis 20 Jahren im Sommer eisfrei sein. „Die Daten aus der Vergangenheit deuten darauf hin, dass das Auswirkungen auf den Permafrostboden haben wird. Wir befürchten, dass er – vielleicht mit etwas Verzögerung – tauen könnte, wodurch große Mengen CO2 und Methan in die Atmosphäre gelangen würden, was wiederum die Erderwärmung verstärken würde“, sagt er.

Proben aus der Studienzeit

Die Tropfsteine für die Analysen hatte Sebastian Breitenbach schon bei einem Auslandsaufenthalt im Rahmen seines Studiums 2000/2001 in Sibirien gesammelt. „Die Analysen, die wir jetzt gemacht haben, waren damals nicht denkbar“, erinnert er sich. Die Datierung, die Experten an der University of Oxford durchführten, erfordert ein ultrareines Labor, wie es auch heute nur wenige auf der Welt gibt.

Im Lauf der Jahrhunderte bildet ein Tropfstein immer neue Schichten. Abhängig vom Klima wächst er mal schneller und mal langsamer. Die Forscher nehmen Proben aus den Schichten und bestimmen, aus welcher Zeit sie stammen.
© RUB, Marquard

Für die Geowissenschaftler ist es jedenfalls ein Glücksfall, dass sie solche Proben noch im Fundus haben. „Seit der Ukraine-Krise ist es viel schwieriger geworden, Gesteinsproben aus Russland auszuführen“, weiß Sebastian Breitenbach. Dabei wäre er oft genug vor Ort, um Material zu sammeln. „Sibirien ist meine zweite Heimat geworden“, sagt er. Seine Begeisterung für die Gegend begann schon zu Schulzeiten. „Ich habe Russisch gelernt, fand die Sprache schon immer schön, und wollte unbedingt in die damalige Sowjetunion reisen“, erinnert er sich. „Nachdem die Mauer gefallen war, hat es dann endlich geklappt – und es ist einfach wunderschön dort.“

In Sibirien ist eine Expedition wirklich noch ein Abenteuer.


Sebastian Breitenbach

Aber nicht nur die politische Lage macht es den Forschern schwer, an Material für ihre Arbeit zu kommen. Um die Zusammenhänge zwischen Meereseis und Permafrost zu ergründen, bräuchten sie idealerweise weitere Tropfsteine aus noch nördlicheren Gegenden. „Die Höhlen, in denen es diese Stalagmiten gibt, sind sehr schwer zugänglich – man bräuchte einen Helikopter, um dorthin zu kommen, aber das ist teuer“, erzählt Sebastian Breitenbach.

Sebastian Breitenbach sammelte die Proben für die aktuelle Analyse bei einem Feldforschungsaufenthalt in Sibirien 2000/2001. Seither ist er fast jährlich dort.
© RUB, Marquard

Selbst in den nicht ganz so entlegenen Gegenden Sibiriens stehen die Wissenschaftler vor Herausforderungen. „In Sibirien ist eine Expedition wirklich noch ein Abenteuer“, meint Breitenbach. „Wenn du dort in den Wald gehst und kein Feuer machen kannst, dann bist du aufgeschmissen; und wenn dir etwas passiert, dann findet dich dort niemand so schnell.“ Das Schlimmste, was Sebastian Breitenbach bislang passiert ist, war zum Glück nur eine gefrorene Nase. „Das habe ich selbst erst gar nicht bemerkt“, erinnert sich der Forscher. Jemand anderes wies ihn darauf hin. „Da habe ich erst gemerkt, dass sich die Nase wie Gummi angefühlt hat und ganz taub war – als sie auftaute, hat es höllisch wehgetan.“ Den Forscher hat aber auch das nicht davon abgehalten, immer wieder in die Gegend mit den harschen Wetterbedingungen zurückzukehren.

Kooperationspartner

Federführend verantwortlich für die Studie zu Permafrost und Meereseis war Dr. Anton Vaks vom Geological Survey of Israel. Er kooperierte mit Dr. Andrew Mason und weiteren Kollegen der University of Oxford, Wissenschaftlern aus Russland, sowie Sebastian Breitenbach.

Veröffentlicht

Donnerstag
09. Januar 2020
09:13 Uhr

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