Philippinen Krötenalarm im Regenwald
Die Aga-Kröte wurde in vielen Teilen der Welt als Schädlingsvernichter eingeführt. Nun richtet sie selbst Schaden an.
Christian Jürgen Schwarz hat nicht gerade einen gewöhnlichen Arbeitsplatz für seine Doktorarbeit gewählt. Statt eines Büros voller Bücher oder eines Labors voller Technik war er umgeben vom dichten Grün des Regenwaldes. Keine Straße führt an den Ort, an den er sich regelmäßig für seine Forschung begeben musste, nur zu Fuß konnte er seine Proben erreichen. Der Biologe analysiert das komplexe Ökosystem auf Panay, einer Insel, die zu den Philippinen gehört und die das letzte zusammenhängende Stück des Tieflandregenwaldes jener Insel beherbergt.
Die Promotion von Christian Schwarz hat sich inzwischen untrennbar mit seinem Engagement bei der Naturschutzinitiative Philincon verwoben. Die Organisation geht auf den emeritierten RUB-Professor Dr. Eberhard Curio zurück, der sie 1995 ins Leben rief und auch heute noch im Alter von 87 Jahren unterstützt.
Erstmals nach Panay reiste Christian Schwarz wegen der Aga-Kröte, die eigentlich gar nicht auf die Philippinen gehört. „Sie wurde dort und auch in anderen Ländern mit Absicht ausgesetzt, um Zuckerrohrschädlinge zu vernichten“, erklärt der Biologe. In Südamerika und der Karibik zum Beispiel hatte das gut funktioniert. In anderen Ländern richtete die Kröte jedoch mehr Schaden als Gutes an, etwa in Australien, wo sie von anderen Tieren gefressen wurde, die dann am Gift der Kröte starben.
„Das passiert auf Panay zwar nicht“, weiß Christian Schwarz. „Aber was genau die Aga-Kröte mit dem philippinischen Ökosystem macht, ist bislang auch nicht klar.“ Der Biologe will es herausfinden. Er interessiert sich dafür, welche Beutetiere die Aga-Kröte frisst und wie das das Nahrungsnetz beeinflusst. Die Frage ist, ob sie dadurch das Gleichgewicht der vielen Arten auf Panay durcheinanderbringt, etwa indem sie bevorzugt gewisse Arten von Käfern oder Ameisen frisst, die dann wiederum als Fressfeinde anderer Spezies fehlen.
Eingezäunte Areale mit und ohne Kröten
Um das herauszufinden, hat Christian Schwarz einen Feldversuch gestartet. Auf Panay hat er mit der Hilfe einiger einheimischer Arbeiter zwölf Areale von jeweils 50 mal 75 Metern eingezäunt – einige mit und einige ohne Aga-Kröten. Das hinzubekommen, war schwieriger, als es zunächst klingt. „Ich musste erst einmal passende Gebiete im Regenwald finden, dann mussten wir das ganze Material für die Zäune zu Fuß dorthin transportieren und aufbauen“, erzählt er. Da der Zaun die durchschnittlich 20 Zentimeter großen Kröten davon abhalten muss, darüber zu hüpfen oder untenrum aus dem Gelände zu krabbeln, war einiges an Material erforderlich.
Als die Barriere stand, brachte Christian Schwarz in den Arealen Fallen für die Beutetiere aus: kleine Gefäße mit Formalin, in die Ameisen, Käfer und andere Krabbeltiere hineinfallen und konserviert werden. Mehrere Monate lang tauschte er die Fallen alle zwei bis drei Wochen gegen frische aus. Außerdem hängte er Stoffbeutel mit feuchtem Laub zum Trocknen auf; da die Beutetiere Feuchtigkeit benötigen, halten sie sich auf den feuchten Blättern auf. Trocknen diese, krabbeln die Tiere nach unten aus dem Beutel und fallen in ein mit Alkohol gefülltes Fläschchen. Nun stehen rund 70 Fläschchen zur Auswertung bereit, jede davon enthält mehrere tausend Organismen – und eine Menge Dreck. „Die Organismen müssen nun gereinigt und nach Arten sortiert werden, sodass man vergleichen kann, ob bestimmte Arten in dem krötenfreien Areal seltener oder häufiger auftreten“, sagt Schwarz. Erste Trends deuten darauf hin, dass es tatsächlich Unterschiede zwischen den Arealen mit und ohne Kröten gibt, aber die Gründe dafür können vielschichtig sein und müssen sorgfältig analysiert werden.
Ziel des Biologen ist es, am Ende der Auswertung beurteilen zu können, ob die Aga-Kröte dem einzigartigen Ökosystem im Tieflandregenwald von Panay so sehr schadet, dass sie bekämpft werden muss – oder ob man Zeit und Ressourcen lieber in andere Maßnahmen stecken sollte.