Ready for takeoff: Was man tun muss, damit das Röhrchen in die Luft geht, lässt sich interaktiv begleiten.
© RUB, Marquard

Didaktik Wie man digital guten Schulunterricht macht

Noch sind die Schulen offen, doch das Frühjahr hat gezeigt, wie schnell man Unterricht auf digitale Formate umstellen muss. Dafür gibt es Lösungen.

Zurzeit bieten Schulen in Deutschland Präsenzunterricht an, auch während des erneuten Lockdowns. Doch viele Lehrerinnen und Lehrer bereiten sich darauf vor, ihren Unterricht teilweise wieder ins Digitale zu verlegen, falls es notwendig werden sollte. Wie die Wissensvermittlung und -festigung auf Abstand funktionieren kann, untersuchen Forschungsteams der RUB. Zwei Beispiele:

Youtube gehört für viele Menschen zum Alltag, nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zur Information: Was läge näher als ein How-to-Video, wenn der Rollladengurt klemmt? Diese Funktion kann sich der Schulunterricht zunutze machen, und zwar auf verschiedene Arten. „Viele Lehrerinnen und Lehrer nutzen Youtube-Videos, zum Beispiel für Flipped-classroom-Arbeit“, erklärt Prof. Dr. Sandra Aßmann, Leiterin des Arbeitsbereichs Soziale Räume und Orte des non-formalen und informellen Lernens am Institut für Erziehungswissenschaft der RUB. Dabei geben sie ihren Klassen die Aufgabe, sich den Lernstoff – etwa einen mathematischen Beweis – im Film zu Hause anzuschauen. In der Schule wird dann damit gearbeitet und darüber diskutiert. „Das bringt für den Unterricht einen großen Zeitgewinn“, erklärt die Forscherin. Manche Lehrerinnen und Lehrer erstellen solche Videos auch selbst oder starten Videoprojekte mit Kleingruppen in ihren Klassen.

Wie viel Unterhaltung braucht und verträgt ein Wissensvideo?

Über ihre Nutzung von Videos konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ersten digitalen Teachers’ Day der RUB austauschen. „Eine viel diskutierte Frage war unter anderen, was die Qualitätskriterien für ein gutes Video sind“, erzählt Sandra Aßmann. „Auf den Punkt gebracht: Wie viel Unterhaltung braucht oder verträgt ein Video, das Wissen vermitteln soll?“ Auch, in welcher Phase des Unterrichts sich Videos besonders eignen, war Gegenstand der Debatte. Ebenso der Umgang mit Datenschutz und Werbeinhalten.

Gemeinsam mit Olga Neuberger hat Aßmann eine ganze Reihe Studien zum Thema Videos im Unterricht ausgewertet und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zur Verfügung gestellt. Darunter waren zum Beispiel Untersuchungen darüber, wer unter den 12- bis 19-Jährigen welche Videos anklickt. „Es hat sich dabei gezeigt, dass Mädchen eher Lifestyle- und Beautytipps konsumieren, während Jungen sogenannte Let’s-play-Videos schauen, bei denen man zusieht, wie andere Videospiele spielen und dabei Tipps geben.“ Unabhängig vom Geschlecht ist Youtube seit mehreren Jahren das beliebteste Online-Angebot für Jugendliche.

Tipps gab es unter den Teilnehmenden: Welche Youtube-Filmer erstellen gute Unterrichtsvideos? „Manche sind wirklich sehr fundiert und getrieben vom Gedanken der Wissensvermittlung, zum Beispiel Mr. Wissen2go oder Mai Lab“, so Sandra Aßmann.

Experimentieren lernen ohne Labor, aber mit digitaler Unterstützung

Youtube bietet Schülerinnen und Schülern viele Inhalte. In den Naturwissenschaften ist jedoch das Experiment zentral für die Fächer und für das Lernen. Wenn ganze Schulen geschlossen sind oder einzelne Schülerinnen und Schüler zuhause bleiben müssen, fällt das klassische Experimentieren im Chemieraum weg. Mit dieser Situation haben sich im Frühjahr schon viele Lehrerinnen und Lehrer konfrontiert gesehen. Aber es gibt Möglichkeiten, Experimente auch auf Distanz zu ermöglichen: Über das plattformunabhängige Format H5P kann man Schülerinnen und Schüler dabei begleiten, wenn sie das Experimentieren zu Hause lernen. „Für Heimexperimente braucht man im Grunde nichts Anderes als das, was man in der Küche findet, oder sich einfach besorgen kann“, erklärt Dr. Christian Strippel vom Lehrstuhl Didaktik der Chemie von Prof. Dr. Katrin Sommer. „Es gibt eine Menge solcher Experimente, die erprobt und sicher sind.“ Mit H5P kann man den Experimentierenden wesentlich mehr mitgeben als nur eine Versuchsvorschrift, die unerfahrene Menschen vielleicht nicht verstehen: Bilder können eingebunden, auf Videos kann verlinkt werden, auch interaktive Elemente sind möglich, zum Beispiel die Nachfrage: „Hast Du den Feststoff schon in das Becherglas gegeben?“ Solche Anleitungen lassen sich in verschiedenste Lernplattformen einbinden, beispielsweise in Moodle.

Im Rahmen des Teachers’ Day hat das Team des Lehrstuhls Didaktik der Chemie ein Modul für Lehrkräfte angeboten, das sie weitgehend in eigener Zeitregie absolvieren konnten. Dazu gehörte es, ein Beispielexperiment mit H5P-Begleitung zu Hause durchzuführen, um einmal in die Haut der Schüler zu schlüpfen, mehrere Beispiele anderer Experimente anzuschauen, um die Vielfalt kennenzulernen, und dann selbst ein Unterstützungsangebot in dem Format zu entwickeln. Im Plenum wurden diese Übungen dann diskutiert. „Wir erhoffen uns davon tragfähige Konzepte für Heimexperimente für die Zeit der Pandemie, aber auch darüber hinaus“, sagt Christian Strippel.

Teachers’ Day

Der Teachers’ Day bietet Lehrerinnen und Lehrern alle zwei Jahre rein wissenschaftliche Fortbildungen. Erstmals fand er 2020 unter Corona-Bedingungen mit über 240 Teilnehmenden rein digital statt. Wegen des besonderen Bedarfs standen digitale Lehrformate diesmal im Mittelpunkt. Besonders nachgefragt war die Fortbildung „Selbstreguliertes Lernen (analog und digital) fördern“ aus der Erziehungswissenschaft, denn das Corona-bedingte Homeschooling erfordert verstärkt diese Kompetenz.

Das Angebot des Teachers’ Day ermöglicht es, sowohl aktuelle Entwicklungen in der Schulpraxis und wissenschaftliche Erkenntnisse der Universität aufeinander zu beziehen, als auch theoriebezogene und erfahrungsbasierte Lernprozesse miteinander zu verbinden. Dadurch verbessert er nachhaltig den gesamten Prozess der Lehrerbildung, der aus Studium – der Master of Education ist der größte Studiengang der RUB – und Vorbereitungsdienst sowie Fort- und Weiterbildung besteht.

Die Professional School of Education baut unter der Leitung von Prof. Dr. Björn Rothstein das Lehrerfortbildungsangebot aus. Der Teachers’ Day ist ein Hauptbestandteil.

Veröffentlicht

Montag
09. November 2020
13:03 Uhr

Teilen