Julian Keupp und Rochus Schmid (rechts) vom Autorenteam betrachten die Darstellung eines Metal-Organic Framework. © RUB, Marquard

Werkstoffforschung Metallorganische Netzwerke werden flexibel

Experiment und Computersimulationen erschließen neue Anwendungsfelder.

Materialien aus anorganischen und organischen Komponenten können das Beste aus zwei Welten vereinen: Unter bestimmten Umständen sind dreidimensionale Netzwerke aus metallorganischen Verbindungen, die sogenannten Metal-Organic Frameworks, kurz MOFs, so geordnet aufgebaut wie Kristalle und zugleich porös und flexibel verformbar. Das weckt Hoffnungen auf intelligente Materialien für energiesparende technische Anwendungen. Allerdings sind bisher nur wenige flexible MOFs bekannt. Ein Forschungsteam der RUB und der Technischen Universität München (TUM) hat mittels Experimenten und Simulationen herausgefunden, was MOFs flexibel machen kann und warum: Sie tricksten das System aus, indem sie durch geschickte chemische Manipulationen eine Vielzahl von energetisch gleichartigen Anordnungen in der kristallinen Ordnung ermöglichten. Sie berichten in der Zeitschrift Angewandte Chemie vom 14. September 2020.

Schockabsorber und chemische Helfer

Das Anwendungspotenzial von MOFs wurde erst vor rund 20 Jahren entdeckt; inzwischen sind fast 100.000 solcher hybridischen porösen Materialien bekannt. Besonders auf flexiblen MOFs ruhen große Hoffnungen für technische Anwendungen. So könnten sie als Schockabsorber auf plötzlichen hohen Druck reagieren, indem sie ihre Poren schließen und an Volumen verlieren, sich also plastisch verformen. Oder sie könnten chemische Stoffe voneinander trennen wie ein Schwamm, indem sie sie in ihre Poren aufnehmen und bei Druck wieder abgeben. „Das wäre wesentlich weniger energieaufwändig als das übliche Verfahren der Destillation“, erklärt Prof. Dr. Rochus Schmid, Leiter der Computational Materials Chemistry Group an der RUB. Allerdings sind bisher nur wenige solcher flexiblen MOFs bekannt.

MOFs unter Druck

Um den zugrundeliegenden Mechanismen innerhalb solcher Materialien auf den Grund zu gehen, hat das Münchner Team ein bereits gut bekanntes MOF experimentell genauer untersucht. Dazu setzen die Forscherinnen und Forscher es einem gleichmäßigen Druck von allen Seiten aus und beobachteten währenddessen mittels Röntgenstrukturanalyse, was im Inneren vor sich geht.„Wir wollten wissen, wie sich das Material unter Druck verhält und welche chemischen Faktoren die Triebkraft der Phasenübergänge zwischen dem offenporigen und dem geschlossenporigen Zustand bilden“, so Gregor Kieslich, Leiter der Arbeitsgruppe Crystal Chemistry of Functional Materials der TUM.

Es zeigte sich im Experiment, dass die geschlossenporige Form nicht stabil ist; unter Druck verliert das System seine kristalline Ordnung, kurz gesagt: Es geht kaputt. Nicht so aber eine Variante derselben Grundstruktur: Befestigte das Team flexible Seitenketten aus Kohlenstoffatomen an den organischen Verbindungsstücken des MOF, die in die Poren hineinragen, ließ sich das Material intakt zusammendrücken und nahm bei nachlassendem Druck seine ursprüngliche Form wieder an. Die Ärmchen aus Kohlenstoff machten aus dem nicht flexiblen ein flexibles MOF.

Veröffentlicht

Dienstag
17. November 2020
08:50 Uhr

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