Interview „Eine der tollsten Sachen, die man erleben kann“
Biologen der RUB bieten jedes Jahr im November eine Exkursion nach Nordnorwegen an, bei der Wale beobachtet werden können. Dass es dazu kam, ist einem zufälligen Zusammentreffen in einer Kneipe zu verdanken.
Vor der Küste Nordnorwegens treffen sich im November Hunderte von Buckelwalen zum Fressen – als Beobachter mit dabei sind seit einigen Jahren mehrere Forscher des Lehrstuhls für Evolutionsökologie und Biodiversität der Tiere der RUB. Mit ihrer jährlich angebotenen Exkursion ermöglichen sie Studierenden besondere Einblicke in die Natur. Exkursionsbegleiter Dr. Maximilian Schweinsberg erinnert sich an viele besondere Momente dieser Reisen.
Herr Dr. Schweinsberg, was ist die Idee hinter der Exkursion nach Nordnorwegen?
Uns ist es wichtig, dass die Studierenden Ökosysteme und die Anpassungen der Organismen erfahren. In Nordnorwegen kann man vom Boot aus vielfältige Verhaltensweisen von sonst nur schwer zu beobachtenden Tieren live miterleben und viele Informationen über dieses spannende Ökosystem direkt an die Studierenden vermitteln. Dort treffen sich nicht nur Hunderte von Buckelwalen zum Fressen, sondern auch Orcas, die besonders interessant zu beobachten sind, weil sie spezielle Jagdtechniken entwickelt haben. Sie treiben die Heringe zu ballförmigen Ansammlungen zusammen und stoßen hinein. Teilweise machen sich die Buckelwale das auch zunutze, stoßen durch die Fischansammlung durch und fressen sie den Orcas förmlich weg. Aber umgekehrt können die Orcas auch von den Jagdtaktiken der Buckelwale profitieren. Das ist eine der tollsten Sachen, die man erleben kann. Außerdem ist es auch eine wirklich wilde und raue Landschaft.
Wie kam es dazu, dass Sie Nordnorwegen als Reiseziel entdeckt haben?
Ich war mal im Sommer in Norwegen und bin in einer Kneipe zufällig mit einem Angler ins Gespräch gekommen, der mir ein Video gezeigt hat. Er hat sich nur für die Heringe und Heilbutte interessiert, aber ich habe gesehen, dass in dem Video überall Wale zu sehen waren. Ich hatte gar nicht gewusst, dass die Buckelwale in dieser Region so nah an die Küste kommen! Sie waren dort längere Zeit nicht gewesen, aber sind vermutlich wiedergekommen, weil das Nahrungsangebot dort zeitweilig wieder sehr gut war.
Eine Reise in den hohen Norden bringt sicher logistische Herausforderungen mit sich.
Ja, das stimmt. Um die Logistik kümmert sich zum Großteil Sebastian Striewski, ein ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter unseres Lehrstuhls, der ein eigenes Reiseunternehmen betrieben hat. Wir hatten zusätzlich das große Glück, dass es ein Angelcamp auf einer vorgelagerten Insel von Tromsö gibt, das im November, wenn die Buckelwale kommen, kein Business mehr hat. Mit denen haben wir kooperiert und konnten so quasi mitten in der Natur wohnen.
Nochmal 90 Kilometer weiter nördlich zu kommen war für die Fische und Wale kein Problem, für die Exkursion allerdings eine Herausforderung.
Allerdings mussten wir auch schon umplanen, weil die Fische sich mittlerweile – möglicherweise wegen des Klimawandels – weiter nördlich aufhalten, sodass auch die Wale zwei Fjorde weiter in den Norden gezogen sind. Nochmal 90 Kilometer weiter nördlich zu kommen war für die Fische und Wale kein Problem, für die Exkursion allerdings eine Herausforderung.
Vermutlich kann auf solchen Reisen nicht immer alles nach Plan laufen.
Es passieren natürlich manchmal besondere Dinge, und wir dürfen kein Risiko eingehen. Man muss wissen, was man tut, und jeden Tag abwägen, ob das Wetter es zulässt, dass man rausfahren kann oder auch ob man früher zurückfahren muss. Im Zweifelsfall bleibt man besser im Hafen. Wir hatten natürlich auch schon Tage, an denen wir rausgefahren sind, aber über Stunden keine Wale gefunden haben. Dann kann man aber Vögel, die Landschaft und das Meer beobachten. Abends entschädigt uns manchmal auch das Polarlicht.
Welche Momente sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Wir haben einmal einen Buckelwal gefunden, der sich in einem Fischernetz verfangen hatte. Wir mussten einige Studierende davon abhalten, in das kalte Wasser zu springen, um ihn zu befreien. Wir haben die Küstenwache informiert und sind dabei geblieben, bis sie ihn freigeschnitten hatten. Das war sehr beeindruckend und dramatisch. Spannend war es auch, als die BBC parallel zu unserer Exkursion vor Ort war und für die Dokumentation Blue Planet II gedreht hat; es war sehr interessant zu sehen, wie die Kameraleute unter den teilweise extremen Bedingungen gearbeitet haben und auch unter was für einem Leistungsdruck sie standen.
Wie geht es mit den Exkursionen weiter?
Was in Zukunft daraus wird, wissen wir nicht. Die Coronasituation hat die Planungen unserer verschiedenen Exkursionen derzeit unmöglich gemacht. Natürlich würden wir die Exkursionen aber auch in Zukunft gern weiter anbieten, dann wäre ich auch wieder dabei!