Interview Wege durchs Valley of Death
Die Lücke zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung zu schließen, ist eines der Ziele von Ulf-Peter Apfel.
Maßnahmen zum Klimaschutz stehen im Zentrum des Sustainable Development Goals Nummer 13 der Vereinten Nationen. Konkret geht es sowohl um eine Reduzierung von CO2-Emissionen als auch um einen reduzierten Einsatz fossiler Rohstoffe. Einen Beitrag zum Erreichen dieses Nachhaltigkeitszieles leisten Prof. Dr. Ulf-Peter Apfel und seine Gruppe: An der Fakultät für Chemie und Biochemie der RUB und in der Abteilung Elektrosynthese des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT forschen sie an der Produktion von grünem Wasserstoff und der Frage, wie aus Kohlendioxid Ausgangsstoffe für die chemische Industrie werden.
Herr Prof. Apfel, worum geht es in Ihrer Arbeit?
Wir beschäftigen uns mit Elektrolysetechnologien. Die Elektrolyse ist ein chemischer Prozess, bei dem eine Redoxreaktion durch – idealerweise grünen – Strom stattfindet. Im Zentrum steht die Aufspaltung einer chemischen Verbindung – zum Beispiel von Wasser zu Wasser- und Sauerstoff. Darüber hinaus lässt sich via Elektrolyse auch unvermeidbares CO2, das unter anderem in der Stahl- oder Zementindustrie anfällt, in Basischemikalien oder Brennstoffe umwandeln.
Dieses „Valley of Death“ möchten wir mit unserer Forschung überwinden.
Befinden sich diese Technologien bereits in der Anwendung?
Mit Blick auf Klimaschutz, Energie- und Rohstoffwende sind Elektrolysetechnologien natürlich verstärkt in den Fokus gerückt. Allerdings existiert momentan noch eine große Lücke zwischen Grundlagenforschung und Industrie. Sprich: Es gibt zwar eine Fülle von Katalysatorkandidaten und Konzepten für Elektroden und Zellen, aber die meisten von ihnen sind leider nicht markttauglich. Dieses „Valley of Death“ möchten wir mit unserer Forschung überwinden.
Was ist die Ursache für diese Lücke?
Zum einen ist die Kommunikation zwischen den verschiedenen Interessengruppen alles andere als optimal. Zum anderen berücksichtigt die Grundlagenforschung in der Regel nicht, unter welchen Bedingungen die Elektrolyse in der Industrie funktionieren muss: Ist das im Labor entwickelte System überhaupt langzeitstabil? Sind Ausgangsstoffe in ausreichender Menge vorhanden? Und ist die benötigte Energiemenge unter finanziellen und Klimaschutzaspekten überhaupt vertretbar? Ein ganz konkretes Beispiel: Im Labor funktioniert die Elektrolyse am besten mit sauberem Wasser zu Wasserstoff. An manchen Industriestandorten ist aber genau das Mangelware.
Was tun Sie, um diese Lücke zu schließen?
Wir schauen uns zum Beispiel an, wie eine Elektrolyse mit verschmutztem Wasser funktionieren kann. Der größte Schwerpunkt unserer Forschung liegt momentan allerdings auf der Suche nach kostengünstigen und reichhaltig vorhandenen Katalysatoren. Bei der Elektrolyse kommen nämlich in der Regel edelmetallhaltige Katalysatoren zum Einsatz. Die sind natürlich teuer, im Vorkommen limitiert und dadurch für die Industrie keine gute Option.
Zudem befassen wir uns mit dem Thema Skalierbarkeit. Im Labor entwickeln wir Katalysatoren im Kilogrammbereich und Elektroden bis zu einer Größe von maximal einem Quadratmeter, während unsere Prototypen in einem Container Platz haben. Das ist für die Industrie natürlich viel zu klein. Die industrielle Wasserstoffherstellung beispielsweise hat ganz andere Dimensionen. Dort sind Anlagen im Betrieb, die ganze Halle füllen.
Diese Art der Zusammenarbeit heißt aber auch, dass ich mich als Professor öfter mal zurücknehme.
Wie sieht die Forschungsarbeit in Ihrer Gruppe aus?
Wir arbeiten in unseren Projekten in interdisziplinären Teams. Denn entscheidend ist oftmals die Verknüpfung der Expertise unterschiedlicher Fachleute aus der Chemie, den Ingenieurwissenschaften und auch den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Nur so können wir unsere Forschung ganzheitlich angehen, ohne wichtige Aspekte zu vernachlässigen. Manchmal können Projekte nämlich schon an der sozialen Akzeptanz scheitern: Eine Wasserstofftankstelle ist eine feine Sache, aber wenn die Menschen im Umfeld darin nur die potenzielle Bombe sehen, wird sie niemals ein Erfolg werden. Da ist Aufklärung nötig und nicht nur Technologieentwicklung. Diese Art der Zusammenarbeit heißt aber auch, dass ich mich als Professor öfter mal zurücknehme: Ich sorge für die richtigen Rahmenbedingungen, damit mein Team seine Arbeit gut machen kann.
Wer könnte Interesse an Ihrer Arbeit haben?
Neben Firmen aus der Wasserstoffherstellung können das große Unternehmen sein, die neue automatisierbare Konzepte suchen. Bei der CO2-Vermeidung sind es auch Betreiber spezieller Anlagen – zum Beispiel von Zementwerken. Dort wird weiterhin CO2 als Abgas emittiert. Allerdings wird das mit Blick auf die CO2-Zertifikate immer teurer. Günstiger wäre es, das CO2 zum Ausgangsstoff für andere chemische Produkte zu machen und diese Produkte weiter zu verkaufen.
Welche Produkte können das sein?
Dazu gehören zum Beispiel höhere Alkohole oder Olefine, aus denen man Polymere herstellen kann. Aber auch Nahrungsergänzungs- oder Arzneimittel.