NEUROPHYSIOLOGIE Wie ein Stimmungshormon das Gedächtnis steuert
Ein Bochumer Forschungsteam untersucht das räumliche Gedächtnis – und zeigt, dass der Botenstoff Dopamin maßgeblich an der Erinnerungsleistung beteiligt ist.
Vielen als Belohnungshormon bekannt, ist es doch so viel mehr: Dopamin. In seiner Funktion als Neurotransmitter hilft es zum Beispiel bei der Übertragung von Signalen zwischen den Gehirnzellen. Auf diese Weise beeinflusst es sowohl emotionale wie auch mentale und motorische Reaktionen. In einer aktuellen Studie haben zwei Bochumer Neurowissenschaftlerinnen die Auswirkungen von Dopamin auf das räumliche Gedächtnis von Nagern untersucht – eine Domäne, in der sich diese Tiere besonders auszeichnen. Dabei interessierten sich die Forscherinnen insbesondere für die Rolle eines Dopaminrezeptors, des sogenannten D2-Rezeptors, der eine bekannte Andockstelle für Medikamente zur Behandlung von Stimmungsstörungen ist. Ihre Ergebnisse haben Violeta-Maria Caragea und Prof. Dr. Denise Manahan-Vaughan, Abteilung für Neurophysiologie der Ruhr-Universität Bochum, in der Zeitschrift „Frontiers in Behavioural Neuroscience“ vom 12. Januar 2022 veröffentlicht.
Schlüsselfaktor für Wahrnehmung und Informationsverarbeitung
Unser Gemütszustand bei der Ausbildung einer Erinnerung kann sowohl über deren Inhalt als auch über deren Lebensdauer entscheiden. „Je dramatischer zum Beispiel ein bestimmtes Ereignis in unserem Leben war, desto nachhaltiger kann die Erinnerung an dieses Ereignis sein“, erklärt Erstautorin Violeta-Maria Caragea. Oft ist dies das Werk von Dopamin, das auf die entsprechenden Rezeptoren im Gehirn wirkt. Das Prinzip ist bei allen Säugetierarten vergleichbar.
Dopamin ist ein Schlüsselfaktor für Wahrnehmung und Informationsverarbeitung im Hippocampus, der wohl wichtigsten Gedächtnisstruktur des Gehirns. Während die allgemeine Bedeutung von Dopaminrezeptoren im Hippocampus gut dokumentiert ist, ist über die spezifische Rolle der D2-Rezeptoren weit weniger bekannt. Die Wissenschaftlerinnen unterbanden daher im Hippocampus gezielt den Einfluss des D2-Rezeptors auf die synaptische Plastizität und analysierten die Auswirkungen dieses Eingriffs. „Die synaptische Plastizität ist der wichtigste physiologische Mechanismus, der dem Erinnerungsvermögen im Gehirn zugrunde liegt“, erklärt Prof. Dr. Denise Manahan-Vaughan. „Die Kommunikation zwischen den Gehirnzellen wird durch diesen Prozess stetig angepasst und optimiert, sodass Erinnerungen an Erfahrungen gespeichert und dauerhaft erhalten werden können.“
Einfluss auf synaptische Plastizität und räumliches Gedächtnis
Mithilfe eines sogenannten Dopaminrezeptor-Hemmers unterbrachen die Forscherinnen gezielt die Funktion der D2-Rezeptoren im Hippocampus. Sie stellten einerseits fest, dass diese Hemmung die synaptische Plastizität veränderte. Darüber hinaus beobachteten sie, dass die Rezeptorhemmung auch den Inhalt des räumlichen Gedächtnisses veränderte. „Insbesondere waren die Nager nicht in der Lage, sich an die zeitliche Abfolge räumlicher Ereignisse zu erinnern“, erläutert Caragea. „Insgesamt konnten wir aufzeigen, dass die D2-Rezeptoren das Kurzzeitgedächtnis in Bezug auf die Abfolge von räumlichen Ereignissen unterstützen. Zudem tragen sie dazu bei, ein Gedächtnis für den Kontext von Wahrnehmungen aufzubauen.“
Die Studie belegt, dass D2-Rezeptoren sowohl bei der Entstehung der synaptischen Plastizität als auch bei der Speicherung räumlicher Erinnerungen aktiviert sein müssen, damit diese Prozesse optimal funktionieren. Caragea fasst zusammen: „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Dopamin-D2-Rezeptoren in einem gesunden Gehirn dazu beitragen, Sinn- und Zeitzusammenhänge in Erinnerungen an räumliche Erfahrungen herzustellen – eine der Grundlagen dafür ist die Optimierung der synaptischen Plastizität.“
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