Katholische Theologie Gerechtigkeit, aber nicht für alle
Gerechtigkeit ist ein wichtiger Wert im katholischen Glauben. Die fehlende Gleichberechtigung von Frauen steht im Widerspruch dazu. Von anderen Geschlechtern ganz zu schweigen.
Vor Gott sind alle Menschen gleich. So steht es in der Bibel. Männer, Frauen, Kinder, Kranke, Gesunde, Alte und Junge. Alle sind willkommen – in der Gemeinde, aber nicht in allen Ämtern. Priesterinnen oder gar Bischöfinnen sucht man in der katholischen Kirche vergeblich. Und spätestens wenn der Begriff „Gender“ fällt, steht ein Reizwort im Raum. Wann und wo sich der Widerstand gegen den Genderbegriff formierte, hat Theologin Prof. Dr. Gunda Werner rekonstruiert. Sie leitet an der Ruhr-Universität Bochum den Lehrstuhl für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät.
Gender vs. sex
„Der Urknall aus vatikanischer Perspektive hat sich 1995 bei der Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen in Beijing ereignet“, erzählt Gunda Werner. „Dort wurde ‚Gender‘ zum ersten Mal als Wort im juristischen Sinne verwendet. Im Abschlussdokument fand sich eine Forderung nach Gendergerechtigkeit.“ Dieses Dokument und den Prozess seiner Entstehung hat Werner im Detail zurückverfolgt. Sie schaute sich an, wer mit welchen Argumenten gegen Gendergerechtigkeit Position bezog und welche Staaten am Ende zwar formal beitraten, aber dies nur mit Einschränkungen und Ablehnungen von Passagen im Abschlussdokument.
Eine Allianz gegen den Genderbegriff
Das römische Lehramt bezieht seit 1995 klar Position gegen den Genderbegriff. Denn dieser passt nicht zu den römischen Sichtweisen, die einzig Mann und Frau als Geschlechter sowie die heterosexuelle Ehe akzeptieren. Der Vorwurf lautete, dass Gendertheorien die Familie zerstören und das Geschlecht beliebig machen würden, weil man es ständig wechseln könne und so jede Klarheit verloren ginge.
Um seine Position zu festigen, suchte sich der Vatikanstaat auf den UN-Konferenzen Verbündete – und das schon 1994 bei einer Konferenz in Kairo, bei der es um Reproduktion und Gerechtigkeit ging. Fündig wurde er bei muslimischen Ländern, beispielsweise dem Iran, die die Abschlusserklärungen ebenso kritisch sahen. Trotzdem blieb ein durchschlagender Erfolg dieser Allianz aus: Die Abschlusserklärungen 1994 und 1995 fanden viele Unterstützer in der Staatengemeinschaft. Wohl auch wegen des mäßigen Erfolgs in Kairo trat der Vatikan 1995 in Beijing nicht so offen in dem Versuch auf, Allianzen zu schmieden. „Es war aber wahrnehmbar, dass muslimische Länder und auch die neuen christlichen Rechten seine Position unterstützten“, sagt Gunda Werner.
Vatikan trägt auch Charta der Menschenrechte nicht mit
Gendergerechtigkeit, Homosexualität, Recht auf Freiheit bei der Fortpflanzung – diese Themen wurden in der Folge mit dem Begriff „Gender-Ideologie“ verknüpft. Der Vatikan wandte sich außerdem gegen die Gender Studies, also gegen den Wissenschaftsbereich, der sich mit den Themen befasste.
Würde der Vatikan die Charta unterschreiben, müsste er die Menschenrechte nach innen anwenden. Das würde bedeuten, dass er die die Diskriminierung von Frauen beenden müsste.
Auch heute, viele Jahre nachdem der Genderbegriff erstmals im Kreise der UN und damit politisch international relevant auftrat, wehren sich viele in der katholischen Kirche dagegen. Die überreligiösen und politischen Allianzen der Gegnerstaaten blieben ebenso erhalten. In der Abschlusserklärung von Beijing hatten diese Staaten all die Stellen kritisiert, an denen es um Gendergerechtigkeit und ihre Konsequenzen ging. Laut Gunda Werner ist das nicht verwunderlich, da der Vatikan schon die Charta der Menschenrechte nicht unterschrieben hatte. „Das ist in sich logisch“, so die Theologin. „Würde der Vatikan die Charta unterschreiben, müsste er die Menschenrechte nach innen anwenden. Das würde bedeuten, dass er die die Diskriminierung von Frauen beenden müsste.“
Originalveröffentlichungen