Medizin Neue Antibiotika gegen multiresistente Erreger systematisch suchen
Die NRW-Forschungsinfrastruktur CESAR steht für Verbund- und Kooperationsprojekte mit akademischen Gruppen und Wirtschaftsunternehmen zur Verfügung, um die Antibiotikaforschung und -entwicklung zu stärken.
Seit Jahrzehnten sind nur wenige neue Antibiotika auf den Markt gekommen – es werden überwiegend bekannte Wirkstoffe modifiziert. Resistente Erreger werden dadurch zu einem immer größeren Problem. Mit dem Center für systembasierte Antibiotikaforschung CESAR setzen die Ruhr-Universität Bochum und das Lead Discovery Center Dortmund etwas dagegen: In dem einzigartigen Labor wird systematisch nach strukturell neuen antibiotisch wirksamen Stoffen aus Naturstoffproduzenten gesucht. Am 3. Mai 2023 wurde CESAR nach dreijähriger Planungs- und Aufbauzeit feierlich eröffnet. Der Aufbau von CESAR wurde vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem Land NRW mit rund 4 Millionen Euro gefördert. In Kooperation mit anderen akademischen Gruppen und Wirtschaftsunternehmen aus dem In- und Ausland soll diese Infrastruktur nun für die Antibiotikaforschung und -entwicklung genutzt werden.
Bakterien sind Ausgangspunkt der Suche
Infektionskrankheiten sind in den Industriestaaten wieder die dritthäufigste Todesursache. Grund sind immer mehr Keime, die gegen vorhandene Antibiotika resistent sind. „Wir müssen dringend neue antibiotische Wirkstoffe finden – und wir sind sicher, dass es sie gibt“, sagt Prof. Dr. Julia Bandow, Leiterin des CESAR. Ausgangspunkt für die systematische Suche sind ausgerechnet Bakterien. Denn sie konkurrieren in ihren Lebensräumen untereinander um Ressourcen und schütten Stoffe aus, um sich gegenseitig zu bekämpfen.
Die Mehrheit der heute genutzten Antibiotika wurde so in den 1940er- bis 1960er-Jahren entdeckt. Da die Analysemethoden seither stark verbessert wurden, hoffen die Forschenden auf weitere Entdeckungen – selbst bei der Untersuchung bekannter Bakterien. Sie wollen deshalb die Gesamtheit der von diesen Bakterien ausgeschütteten Substanzen analysieren. Aber auch bisher nicht untersuchte Bakterien und ihre Stoffwechselprodukte stehen im Fokus. Ein Bakterium kann mitunter bis zu 1.000 Substanzen ausschütten, deren Wirkung auf andere Organismen zumeist unbekannt ist. Diese Stoffe will das CESAR-Team mithilfe von Techniken wie der Flüssigkeitschromatografie-gekoppelten Massenspektrometrie aufspüren, um sie dann aufzureinigen und ihre Wirkung auf bakterielle Krankheitserreger zu charakterisieren.
Alles unter einem Dach: von der Isolierung bis zur Aufklärung des Wirkmechanismus
CESAR bietet auf insgesamt 280 Quadratmetern eine Forschungsinfrastruktur, in der auf modernsten Geräten Workflows für die Suche nach neuen antibakteriellen Naturstoffen, deren Aufreinigung sowie die Analyse der Wirkmechanismen von Antibiotika zur Verfügung stehen. Dabei ist die Geräteinfrastruktur des CESAR flexibel einsetzbar – für die komplette Charakterisierung eines neuen Produzenten und dessen antibiotisch wirksame Sekundärmetaboliten, aber auch für einzelne Teilaspekte wie zum Beispiel die Wirkmechanismusanalyse von neuen Antibiotika aus anderen Quellen. Einige Projekte laufen bereits; schon während der Einrichtungszeit wurden die Workflows genutzt und es wurden bisher 18 Abschlussarbeiten am CESAR geschrieben sowie elf wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht.
„Was das Zentrum so einzigartig macht, ist, dass wir uns nicht von Anfang an nur auf einzelne Substanzen konzentrieren, sondern untersuchen, was eine Bakterienkultur als Ganzes produziert“, unterstreicht Julia Bandow den systembasierten Ansatz. „Auch bei der Untersuchung der Wirkung nehmen wir zunächst die gesamte Bakterienzelle in den Blick und nicht ausschließlich ein spezielles Zielprotein.“