Antriebstechnik Mit blanken Zähnen läuft alles glatt

Zahnräder sollen geschmeidig ineinandergreifen. Dazu lassen sich Hersteller verschiedene Tricks einfallen. Was sie bringen, wissen Bochumer Forschende.

Zahnräder verrichten ihr Werk meistens im Verborgenen. Doch ohne sie läuft nichts: kein Auto, kein Flugzeug, kein Zahnarztbohrer, keine Windenergieanlage. „In jedem herkömmlichen Auto sind zwischen dem Motor und den Rädern mindestens 15 Zahnräder verbaut. Bei batterie-elektrischen Fahrzeugen sind es zwar üblicherweise nur etwa halb so viele, ohne Zahnräder geht aber auch hier nichts voran“, verdeutlicht Prof. Dr. Manuel Oehler die schiere Masse dieser Bauteile. Noch nicht mitgezählt sind dabei die, die für Fensterheber, Außenspiegel- und Sitzverstellung und andere Nebenfunktionen zuständig sind. Und Autos mit ihren zusammengerechnet vergleichsweise wenigen Betriebsstunden sind nur ein Beispiel für ihren massenhaften Einsatz. Es lohnt sich daher, in die Qualität von Zahnrädern zu investieren und damit sowohl in die Lebensdauer der von ihnen angetriebenen Maschinen als auch in die Energieeffizienz der entsprechenden Prozesse.

Manuel Oehler (links) und Jaacob Vorgerd wollen verstehen, wie Zahnräder verschleißen und wie man sie länger haltbar machen kann. © Roberto Schirdewahn

Wo die Stellschrauben sind, an denen man drehen kann, damit ein Zahnrad lange gut läuft, darum geht es bei der Arbeit des Teams von Oehlers Lehrstuhl für Antriebstechnik der Ruhr-Universität Bochum. Außerdem wollen die Ingenieur*innen herausfinden, ob und wie sich Schäden an Zahnrädern vorhersagen lassen, sodass man Wartungs- oder Austauschintervalle sinnvoll planen kann. „Wenn man sich ein Offshore-Windrad vorstellt, hat man den enormen Aufwand vor Augen, den es bedeutet, ein Zahnrad in seinem Getriebe zu tauschen“, verdeutlicht Dr. Jaacob Vorgerd, Oberingenieur am Lehrstuhl. Mit Blick auf die dazu notwendigen Spezialschiffe und -kräne ist es da gut, genau zu wissen, wann es wirklich notwendig ist.

Hochwertige Stähle erlauben eine schlankere Auslegung

Am Lehrstuhl lässt sich das Leben eines Zahnrades praktisch von Anfang bis Ende verfolgen. „Die Studierenden stellen Zahnräder in unserer Werkhalle selbst her und vermessen sie mikrometergenau – auch wenn wir sie für alle anderen Zwecke von Projektpartnern beziehen“, erzählt Manuel Oehler und deutet auf eine altertümlich anmutende grüne Fräsmaschine. Die allermeisten Zahnräder werden aus Stahl gefertigt. Aus einem runden Rohling werden die einzelnen Zähne herausgefräst. All das können die Studierenden in der Werkhalle ausprobieren. In der industriellen Herstellung läuft das automatisiert ab, und die Zahnräder durchlaufen anschließend eine Wärmebehandlung, die die Oberflächen härtet. Ein letzter Schliff macht das Rad im Prinzip einsatzbereit.

Wenn es auf besondere Leistung ankommt – etwa im Flugzeugbau oder bei Windenergieanlagen – wird häufig ein größerer Aufwand betrieben. „Im Flugzeugbau kommt es natürlich besonders auf die Sicherheit an“, sagt Manuel Oehler. Durch die Wahl besonders hochwertiger Stähle ist hier auch die schlankere Auslegung von Zahnrädern ohne Funktionsverlust möglich. So spart man Gewicht.

Mit diesem Prüfstand werden Zahnräder mit Durchmessern von mehr als einem halben Meter geprüft. Zwischen den Zahnrädern kreist eine Leistung von bis zu acht Megawatt. Der Lehrstuhl für Antriebstechnik ist die einzige Forschungseinrichtung in Deutschland, die einen Prüfstand dieser Bauart in dieser Größenordnung betreibt. © Roberto Schirdewahn

Erste Schäden sind mit bloßem Auge kaum zu sehen

Wie haltbar die Zahnräder tatsächlich sind, können die Mitarbeitenden am Lehrstuhl für Antriebstechnik auf ihren Prüfständen ermitteln, in die Zahnräder verschiedener Größen passen. Die Laufzeiten liegen zwischen wenigen Minuten und mehreren Tagen, auch die Drehgeschwindigkeiten sind anpassbar. An Stücken von Zahnrädern, die diese Tests durchlaufen haben, kann Jaacob Vorgerd zeigen, was im Laufe der Zeit passiert: Zunächst nehmen die Oberflächen der Zähne auf der Flanke Schaden, mit der sie mit dem gepaarten Zahnrad in Kontakt stehen. Erste Schäden sind mit bloßem Auge kaum zu sehen. Ausgeprägtere Schäden entstehen durch Reibung und Hitze. „Im schlimmsten Fall verfärben und verformen sich die Zähne. Oder es brechen sogar einzelne Zähne ab“, zeigt Vorgerd an einem Zahnradteil eines Hubschraubergetriebes, das zu Testzwecken bis zum Versagen ohne Öl gelaufen ist. „Dabei ging es darum zu zeigen, dass der Hubschrauber auch im Falle eines Totalversagens noch sicher landen kann“, erzählt er.

Schmiermittel

Das Team des Lehrstuhls Antriebstechnik analysiert auch im Herstellerauftrag die Wirkung von verschiedenen Ölen und Fetten als Schmiermittel. „Darin können neben dem Grundöl verschiedenste Komponenten enthalten sein, die die Laufeigenschaften von Zahnrädern verbessern“, erklärt Manuel Oehler. „Das sind wahre Zaubertränke“. Polymere sorgen für konstantes Verhalten unter verschiedenen Temperaturen, andere Komponenten bilden schützende Schichten auf der Stahloberfläche aus, harte Partikel lagern sich darauf an, reduzieren die Reibung und schützen die Oberfläche vor dem Verschleißen.

Damit auch kleine Schäden möglichst lange hinausgezögert werden können, kommt es besonders auf die Zahnoberflächen an, die miteinander in Kontakt treten. Je glatter die Oberfläche ist, desto weniger Reibung und Verschleiß treten normalerweise im Betrieb auf. Das Lehrstuhlteam hat die Effekte verschiedener zusätzlicher Oberflächenveredlungen untersucht: Beim Gleitschleifen werden die Zahnräder in ein Becken mit keramischen Körpern getaucht, die in Schwingungen versetzt werden und kleinste Partikel von der bereits geschliffenen Oberfläche abtragen. „Das kann man sich so vorstellen wie einen Rheinkiesel, der im Wasser immer glatter wird“, verdeutlicht Manuel Oehler. Messungen mit einem Autofokus-Mikroskop, das Oberflächen samt Höheninformationen aufnehmen kann, haben ergeben, dass dadurch die Rauheit der Oberfläche auf Erhebungen von 0,1 Mikrometer sinkt – nach dem Standardschliff beträgt sie 0,3 Mikrometer.

Zahnlücken kugelstrahlen

„Sollen die Zähne noch widerstandsfähiger werden, kann die Oberfläche im Zahngrund – das ist der tiefste Bereich der Zahnlücken – kugelgestrahlt werden.“ Wie beim Sandstrahlen wird die Stahloberfläche dabei mit kleinsten Metallkügelchen beschossen. Es entstehen dadurch winzige Eindrücke, die die Oberfläche verfestigen. „Das erhöht den Widerstand gegen feinste Risse“, erklärt Jaacob Vorgerd.

Beim Wälzfräsen sorgt der Kühlschmierstoff durch seine beiden namensgebenden Funktionen (kühlen und schmieren) dafür, dass weniger Verschleiß am Werkzeug auftritt und es länger einsetzbar ist. © Roberto Schirdewahn

Die Kosten für diese Veredlungsverfahren machen 10 bis 15 Prozent der Gesamtkosten für ein Zahnrad aus. Lohnt sich das? Mit dieser Frage treten Industriepartner an das Lehrstuhlteam heran. Die Antwort in diesem Fall: klar ja. „Wenn der Wirkungsgrad durch so eine Behandlung auch nur um einen Prozentpunkt steigt – beispielsweise von 98 auf 99 Prozent – bedeutet das, dass sich die Verlustleistung halbiert“, erklärt Manuel Oehler. „99 Prozent der Energie, die das Zahnrad antreibt, werden in die gewünschte Bewegung des Antriebs übertragen, und nur ein Prozent verflüchtigt sich in Form von Wärme.“

Modelle simulieren Schäden

In den Prüfständen des Lehrstuhls lassen sich die Effekte messen. „Wir können vor allem über die Messung von Vibrationen ablesen, wie gut ein Zahnrad läuft“, erklärt Jaacob Vorgerd. „Stärkere Vibrationen sind ein Anzeichen für Schädigungen, zum Beispiel feinste Risse in den Oberflächen.“ Ein weiteres Indiz ist die Temperatur des jeweiligen Schmiermittels: Der Vergleich der Temperatur des Öls, das den Antrieb schmiert, beim Eintritt und beim Austritt ist eine hochgenaue Methode zur Reibungsmessung.

Im Abgleich mit diesen Experimenten entwickeln die Forschenden Modelle, um Schäden von Zahnrädern zu simulieren. So versuchen sie vorherzusagen, wie lange ein Zahnrad problemlos laufen wird, wie groß ein Wartungsintervall sein sollte oder wann man es vorsorglich austauschen muss.

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Veröffentlicht

Donnerstag
21. November 2024
08:30 Uhr

Dieser Artikel ist am 2. Dezember 2024 in Rubin 2/2024 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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