Katja Sabisch ist Sprecherin des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung NRW.
© RUB, Kramer

Interview „Das Geschlecht fungiert als Platzanweiser“

Frauen an Hochschulen verdienen weniger, sind häufiger befristet und in Teilzeit beschäftigt als Männer. Katja Sabisch kennt die Gründe.

Der über 400 Seiten dicke Genderreport 2019 enthält überwiegend ernüchternde Fakten über Geschlechtergerechtigkeit an Hochschulen in NRW. Erstellt hat ihn das Netzwerk Frauen und Geschlechterforschung, dessen Sprecherin Prof. Dr. Katja Sabisch ist. Im Interview nimmt die Inhaberin des RUB-Lehrstuhls für Gender Studies Stellung zu den Ergebnissen.

Frau Professor Sabisch, an den Hochschulen arbeitet man im öffentlichen Dienst. Da scheint es so, als seien Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Ungerechtigkeiten bestmöglich geschützt. Sie haben aber Unterschiede in der Bezahlung von Männern und Frauen an Unis festgestellt. Wie kommt das?
Mit der sogenannten W-Besoldung, die 2005 eingeführt wurde, wurden die Grundgehälter für Professorinnen und Professoren deutlich gesenkt. Dafür wurden Möglichkeiten für individuelle, leistungsbezogene Zahlungen eingeführt.

Unterm Strich verdienen Professorinnen nun monatlich im Durchschnitt 521 Euro weniger als Professoren gemessen am bereinigten Bruttogehalt. In der Medizin sind es sogar fast 1.000 Euro, an Fachhochschulen etwas über 100.

Das Ernährer-Hausfrau-Modell ist noch in den Köpfen.

Woran liegt das?
Frauen bekommen häufiger keine Leistungsbezüge oder niedrigere als Männer. Ein Grund dafür könnte sein, dass Frauen sich beim Wechsel an eine Universität meistens verbessern, was das Gehalt anbelangt. Männer machen häufiger ihren vorherigen hohen Verdienst in der freien Wirtschaft geltend und verhandeln möglicherweise daher offensiver.

Ich denke aber auch, dass bei den Hochschulleitungen noch immer das Ernährer-Hausfrau-Modell in den Köpfen ist. In unserer Befragung hat zum Beispiel eine Professorin berichtet, dass man ihr in der Gehaltsverhandlung gesagt habe, ihr Mann verdiene doch sicher auch gut. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Leistungsbezüge von Vätern durchschnittlich höher ausfallen als die von kinderlosen Professoren.

Professorinnen gelten als Abweichung von der männlichen Norm.

Und wie kommt es dazu?
Aus Sicht der befragten Expertinnen und Experten üben die Hochschulleitungen eine zentrale Funktion bei der Gewährung von Leistungsbezügen aus. Professorinnen gelten dabei immer noch als Abweichung von der männlichen Norm. In den Augen der Expertinnen und Experten gibt es einen durchschnittlichen Professor, während Professorinnen ihnen entweder zu bescheiden oder zu forsch auftreten. Das Setting der Gehaltsverhandlungen zwischen Professorin und Rektorat ist also von Beginn an vergeschlechtlicht und geprägt durch entsprechende Handlungserwartungen und Vorurteile.

Sind Hochschulen für Frauen unter diesen Umständen attraktive Arbeitgeber?
Ab der Professur unbedingt: Als Professorin bin ich zeitlich sehr flexibel und lege meine Seminare einfach nicht in die Abendstunden, wenn ich Kinder habe. Das gilt natürlich auch für die Väter unter den Professoren.

Im Mittelbau sind Frauen allerdings oft prekär beschäftigt, und das Geschlecht fungiert hier ebenfalls als Platzanweiser. Frauen sind bei den Beamtinnen und Beamten unterrepräsentiert. Je höher die Entgelt- oder Besoldungsgruppe, desto kleiner ist der Frauenanteil. Tarifbeschäftigte Wissenschaftlerinnen arbeiten seltener in Vollzeit und Frauen haben auch seltener Dauerstellen als Männer.

Veröffentlicht

Mittwoch
18. Dezember 2019
09:22 Uhr

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