Geld und mehr Aufmerksamkeit für das eigene Forschungsprojekt – diese Gründe sprechen für Crowdfunding in der Wissenschaft, findet Andreas Jünger.
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Forschungsfinanzierung Mit Crowdfunding nach Andalusien

Große Pläne, wenig Geld – das kennen viele Promovierende. Alternative Finanzierungsquellen können helfen.

Innerhalb von vier Wochen konnte RUB-Historiker Andreas Jünger per Crowdfunding das Geld zusammenbringen, das es ihm ermöglicht, fünf Monate lang in Spanien zu forschen. Bis August 2017 ist er in Andalusien und bloggt von dort.

Herr Jünger, wie sind Sie auf die Idee gekommen, es mit Crowdfunding zu versuchen?
Ich hatte vor einigen Jahren zum ersten Mal von der Möglichkeit des Crowdfundings gehört. Während ich mich dann in den vergangenen zwei Jahren intensiv mit den Finanzierungsmöglichkeiten meiner Promotion auseinandergesetzt habe, bin ich auf die Crowdfunding-Plattform „Sciencestarter“ gestoßen, die sich explizit an Studierende und Forschende wendet.

Die dort präsentierte Möglichkeit der Forschungsfinanzierung fand ich sehr ansprechend, weil nicht nur Geld eingeworben wird, sondern auch die Bekanntheit des eigenen Forschungsprojektes, insbesondere außerhalb des universitären Umfeldes, enorm gesteigert werden kann. Als schließlich Anfang dieses Jahres ein längerer Forschungsaufenthalt in Südspanien anstand, schien mir das eine geeignete Gelegenheit, Crowdfunding auszuprobieren.

Wofür haben Sie das gesammelte Geld ausgegeben?
Die gesammelten rund 1.500 Euro nutze ich in erster Linie, um meine Lebenshaltungskosten in Spanien zu decken. Ich habe aber auch einige technische Materialien angeschafft, zum Beispiel ein professionelles Diktiergerät. Außerdem habe ich Visitenkarten drucken lassen. Die Transport- und Unterbringungskosten meines Forschungsaufenthaltes sind durch eine Förderung der Research School Plus der RUB gedeckt, sonst hätte das Fundingziel deutlich höher liegen müssen.

Ein Blick zurück auf die Geschichte des Ökolandbaus kann für die politische Weichenstellung sehr hilfreich sein.

Welche Forschungsfrage wollen Sie beantworten?
Ich beschäftige mich in meiner Dissertation mit der Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus in der südspanischen Region Andalusien. Es ist eine zeitgeschichtliche Untersuchung, die sich von den 1980er-Jahren bis etwa ins Jahr 2010 erstreckt.

Neben der Frage nach der Rolle und dem Einfluss bestimmter Akteure in Andalusien lege ich auch ein besonderes Augenmerk auf die transnationalen Verflechtungen und Transferprozesse des andalusischen Ökolandbaus. So eine Verflechtung besteht zum Beispiel durch länderübergreifende Kampagnen von Gewerkschaften und Verbänden. Transferprozesse betreffen beispielsweise das Verständnis des Ökolandbaus, das durch eine einheitliche europäische Gesetzgebung oder auch durch Zuwanderer nach Andalusien übertragen wird.

Weil neben der Zivilgesellschaft inzwischen auch immer größere Teile der Wirtschaft und Politik auf eine nachhaltigere Landwirtschaft setzen, kann ein Blick zurück auf die Geschichte des ökologischen Landbaus – zumal in einer Region, aus der so gut wie ganz Europa Obst und Gemüse bezieht – sehr hilfreich für politische Weichenstellungen sein.

In Andalusien wird sehr viel Obst und Gemüse angebaut, darunter Orangen.
© Gemeinfrei
So gut wie ganz Europa bezieht sein Obst und Gemüse aus Andalusien. Hier werden unter anderem Orangen angebaut.

Was ist bei Ihrem Auslandsaufenthalt bisher herausgekommen?
Meine Erfahrungen waren sehr vielfältig und der Erkenntnisgewinn sehr unterschiedlich, weil ich verschiedene Quellen gewählt habe. Einerseits habe ich in Bibliotheken und Archiven nach schriftlichem Material gesucht, andererseits mit Landwirten und anderen für den Ökolandbau wichtigen Personen Interviews geführt.

Die Resonanz auf mein Forschungsprojekt war dabei durchweg sehr positiv, sodass viele Personen und Organisationen bereit waren, mit mir zu kooperieren. Die eigentliche Auswertung des gesammelten Quellenmaterials werde ich dann allerdings erst nach meiner Rückkehr nach Deutschland machen.

Mit Crowdfunding kann man zumindest übergangsweise die notwendigen Mittel aufbringen.

Wem würden Sie Crowdfunding empfehlen?
Leider musste ich bislang die Erfahrung machen, dass es gerade in den Geisteswissenschaften viel zu wenig Promotionsstellen an den Universitäten gibt und auch Projektstellen und Stipendien nur für einen Bruchteil der Doktorandinnen und Doktoranden zur Verfügung stehen. Mit Crowdfunding kann man so zumindest übergangsweise die notwendigen Mittel aufbringen.

Darüber hinaus kann ich Crowdfunding Forschenden aller Fachrichtungen ans Herz legen, die ihrem Projekt innerhalb wie außerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft mehr Aufmerksamkeit verschaffen wollen. Auch ich bin auf diese Weise schon mit Menschen in Kontakt gekommen, die ansonsten wahrscheinlich nie von meinem Dissertationsprojekt gehört hätten und mir aufschlussreiche Hinweise geben konnten.

Crowdfunding

Beim Crowdfunding, auf Deutsch auch Schwarmfinanzierung genannt, bringen viele Personen das Kapital für eine bestimmte Unternehmung gemeinsam auf. Die Summe, die der Einzelne gibt, kann daher sehr klein sein. Erst die Menge der Geldgeber trägt dann die Mindestkapitalmenge für das geplante Unternehmen zusammen. Die Geldgeber erhalten für ihre Beteiligung in manchen Fällen eine geldwerte Gegenleistung, zum Beispiel eine Eintrittskarte für die Aufführung eines crowdfinanzierten Films. Die Gegenleistung kann aber auch ideeller Art sein, oder die Crowd beteiligt sich uneigennützig an dem Projekt.

Unveröffentlicht

Von

Meike Drießen

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