Spitzenleistungen „Ich habe eine gute Körperwahrnehmung“
Charlotte Reinhardt hat zwei Ziele: Olympia 2020 und ihre Doktorarbeit in Gynäkologie.
Mit offenem Blick und einem herzlichen Lächeln setzt sich Charlotte Reinhardt und streift ihre Jacke ab. „Der Mitarbeiter müsste gleich wiederkommen“, sagt Reinhardt über die Ausgabe der medizinischen Modelle im Gebäude MA, die gerade nicht besetzt ist.
Als Medizinstudentin im siebten Semester muss sie ja wissen, wie der Laden läuft. Die Fotosession zwischen den Modellen muss also warten, Zeit zum Reden. „Eigentlich habe ich schon elf Semester, weil ich für den Sport zwei Jahre mit dem Studium aussetzen musste“, sagt Reinhardt.
Nach Olympia ist vor dem praktischen Jahr
Ihr Sport das ist das Rudern. Und zwar auf höchstem Niveau. „Im Sommersemester muss ich viel schaffen, weil danach die Olympiavorbereitung für Tokyo 2020 beginnt. Und nach Olympia möchte ich noch ein Jahr studieren und dann ins praktische Jahr gehen“, sagt Reinhardt.
Bis vor einigen Monaten musste Charlotte Reinhardt den Sport ruhen lassen. „2018 konnte ich keine Wettkämpfe machen. Ich hatte einen Ermüdungsbruch einer Rippe durch die ständige starke Belastung.“
Sie blickt über die Schulter nach hinten, die Theke ist immer noch nicht besetzt.
„Soll ich den schon mal anziehen?“, fragt sie und hält ihren Ruderbody der deutschen Nationalmannschaft hoch. Lieber noch nicht. Wer weiß, wann der Mitarbeiter zurückkommt.
„Ich verbrenne 4.000 Kalorien am Tag.“
Charlotte Reinhardt
Den Ruderbody wird Charlotte Reinhardt auch wieder 2020 bei Olympia in Tokyo tragen. Die Vorbereitung dafür beginnt noch dieses Jahr. Bis dahin trainiert sie weiterhin wie immer 12 bis 14 Mal in der Woche.
„Von den 20 bis 25 Trainingsstunden pro Woche verbringen wir nur etwa acht Stunden auf dem Wasser. Den Rest der Zeit füllen Krafttraining, Fahrrad fahren und Joggen sowie Schwimmen und Zeit auf dem Ruderergometer“, erklärt Reinhardt. „Ich verbrenne so 4.000 Kalorien am Tag.“
Nebenher die Doktorarbeit
Studium und Spitzensport zu vereinbaren, fordert von der Athletin eine gute Planung: „Ich richte mein ganzes Leben nach dem Rudern aus. Schon am Anfang des Studiums habe ich entschieden, das Studium zu ziehen. Und ich schreibe jetzt schon meine Doktorarbeit nebenher, weil ich die flexibel strukturieren kann.“
Denn frei hat die Studentin nur vier Wochen im Jahr. „Ein Stressfaktor ist die Vereinbarkeit des Studiums mit Trainingslagern und Wettkämpfen. Dreimal im Jahr fahren wir für jeweils zwei Wochen in ein Trainingslager. Und wenn Wettkämpfe sind, bin ich von Mittwoch bis Sonntag weg“, erzählt Charlotte Reinhardt gelassen und lächelnd.
Von pfui zu hui
Ihre Doktorarbeit schreibt Reinhardt in Embryologie. „Vor meinem Studium habe ich gesagt: ‚Das ist das Letzte, was ich machen will‘“, sagt sie und lacht. „Mittlerweile finde ich die Entwicklung des Körpers spannend. Und die Gynäkologie ist ein breites Fach: von viel Patientinnenkontakt über Operationen bis hin zur Onkologie.“
Hinter Charlotte Reinhardts Rücken läuft ein Mann in weißem Kittel Richtung Ausgabetheke und verschwindet dahinter. Zeit für die Medizinstudentin, in ihr Sportdress zu steigen. Als sie umgezogen wiederkommt, wartet die Fotografin schon im Raum hinter der Theke. Reinhardt stellt sich zwischen die Regale, in denen sich anatomische Modelle reihen. Der Körper einer Olympionikin zwischen Skeletten und geöffneten Oberkörpern aus Plastik.
Wie sagte Charlotte Reinhardt noch früher im Gespräch? „Sowohl das Medizinstudium und das Rudern sind Bereiche, die sich sehr mit dem Körper auseinandersetzen. Deshalb habe ich eine gute Körperwahrnehmung.“