Biologie Ein Leben für das Zeichnen und den Artenschutz
Zeichnen ist eine Leidenschaft von Helga Schulze – und ihr Beruf an der RUB. Mit genauso viel Herzblut betreibt sie eine Rettungsstation für Halbaffen und engagiert sich für den Erhalt des philippinischen Regenwaldes.
„Beigebracht habe ich mir das Zeichnen selbst“, erzählt Helga Schulze. „Schon in der Schule habe ich, wenn mir langweilig war, unter dem Pult heimlich gemalt.“ Diese Leidenschaft hat die gelernte Biologin perfektioniert und zu ihrer Profession gemacht. Sie ist seit 30 Jahren an der Medizinischen Fakultät der RUB als wissenschaftliche Zeichnerin angestellt und fertigt von Hand komplexe anatomische Abbildungen an. Nebenbei engagiert sie sich für den Erhalt des philippinischen Tieflandregenwaldes und betreibt eine eigene Rettungsstation für Loris, nachtaktive Primaten, die in den Wäldern Asiens heimisch sind.
Natur- und Artenschutz sind Helga Schulze schon immer ein besonderes Anliegen gewesen. Ursprünglich wollte sie promovieren, doch dann entschied sie sich, direkt nach dem Studium einen sicheren Job zu suchen, um sich in ihrer Freizeit für die Umwelt engagieren zu können. So kam sie zur RUB, wo sie sich in ihrem bis unter die Decke begrünten Büro eine kleine Oase eingerichtet hat. Hier entstehen ihre Bilder zunächst als Skizzen – der Umwelt zuliebe auf Schiefertafel oder reinem Recyclingpapier. Die Motive scannt sie anschließend ein und koloriert sie in Photoshop. Die Forscherinnen und Forscher des RUB-Lehrstuhls für Neuroanatomie nutzen sie für wissenschaftliche Poster, Präsentationen und Veröffentlichungen.
Der Anspruch dabei ist selbstredend, dass alle Abbildungen wissenschaftlich exakt sind. „Die Richtigkeit hat Vorrang vor dem persönlichen Kunstverständnis. Allerdings kann ich beim Zeichnen wesentliche Aspekte im Motiv hervorheben“, erklärt sie einen Vorteil ihres selten gewordenen Handwerks gegenüber beispielsweise der Fotografie.
Natürlich zeichnet die Biologin auch für die Projekte, die ihr privat am Herzen liegen – etwa für den Lori-Schutz. Sie tauscht sich intensiv mit Professor Anna Nekaris von der Oxford Brookes University, einer Lori-Expertin, aus. Gemeinsam mit ihr hat Helga Schulze viele Informationen zum Schutz der Loris zusammengetragen, teils auch in Zeichnungen festgehalten. Ihr Chef an der RUB, Prof. Dr. Eckart Förster, unterstützt dieses Engagement. „Mit den netten Mitarbeitern der Abteilung Neuroanatomie zu arbeiten, macht richtig Spaß“, meint sie.
Eine Mietwohnung voller Loris
„Wildtiere wie Loris sollte man nicht als Knuddeltiere in Gefangenschaft halten“, sagt Helga Schulze. Genau das passiere aber häufig, weil sie so niedlich seien. Mittlerweile ist der Handel mit den Tieren zwar offiziell verboten, aber illegal werden sie noch immer an Privatpersonen verkauft. „Viele Leute wissen nicht, dass Loris giftig sind – und bei Angst beißen können wie Pitbulls“, erklärt sie. „Die Loris überleben in Gefangenschaft oft nicht lange, weil sie sehr stressanfällig sind“, weiß die Zeichnerin.
Schulze betreibt mittlerweile eine eigene, von der Bezirksregierung Arnsberg zertifizierte Rettungsstation für Loris – in ihrer Wohnung, natürlich mit Einverständnis des Vermieters. Hier hält sie die Tiere in großen bepflanzten Gehegen, betreut von einem fest angestellten Tierarzt und einem Pathologen. Für sie selbst bleibt nicht allzu viel Platz in ihren vier Wänden: „Ich habe mein Klappbett und meine Nische zum Zeichnen, das reicht mir“, erzählt sie. „Ist doch schön, wenn überall Bäume in der Wohnung sind.“
Eine Wanderausstellung für den Naturschutz
Die Freizeit, die ihr noch bleibt, investiert Helga Schulze in das Projekt Philincon, eine Naturschutz-Initiative, die der mittlerweile emeritierte RUB-Professor Eberhard Curio mit einem Freiwilligenteam ins Leben rief. Philincon hat zum Ziel, das letzte noch verbliebene Stück Tieflandregenwald auf der Insel Panay zu schützen, und mit ihm die darin lebenden seltenen Tierarten wie den Hornvogel. „Am Anfang wurde ich gefragt, ob ich ein paar Zeichnungen für die Initiative anfertigen kann“, erinnert sich Schulze und fügt augenzwinkernd hinzu: „Mittlerweile bin ich natürlich voll drin.“
Halbe Sachen macht die Biologin nicht; wo sie sich engagiert, tut sie es mit vollen Einsatz. Derzeit investiert sie einen Großteil ihres Gehalts in den Ankauf von völkerkundlichen philippinischen Antiquitäten. „Ich möchte eine Wanderausstellung zusammenstellen, mit der ich auf das Projekt Philincon aufmerksam machen kann“, erklärt sie. Webarbeiten, Schmuck, Korbwaren sowie Speere und Messer von Kopfjägern hat sie schon zusammengetragen – und ist nebenbei zu einer Art wandelndem Lexikon für philippinische Kultur geworden. Für dieses Projekt, die Wanderausstellung, wird Helga Schulze bald mehr Zeit haben. Denn im Herbst 2019 geht sie als Zeichnerin in den Altersruhestand. Allerdings wird dann ein neues Ehrenamt hinzukommen. „Natürlich werde ich für meinen Lehrstuhl trotzdem weiter zeichnen, das ist doch klar“, sagt sie.