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Was Sexismus bedeutet
RUB-Doktorandin Anna Schiff hat ein Buch über Sexismus veröffentlicht und erläutert im Interview, was Strategien dagegen sind.
Der Begriff Sexismus taucht immer wieder in Berichterstattungen auf. Was ist Sexismus eigentlich genau?
Sexismus ist ein Oberbegriff für eine Diskriminierung, die sich auf Geschlecht bezieht. Er bezeichnet sowohl die einzelne diskriminierende Situation als auch gesellschaftliche, institutionelle und politische Praktiken und Strukturen, die diese Diskriminierung ermöglichen und stützen.
Sexismus besteht allerdings nicht nur aus Skandalen, über die in den Medien berichtet wird. Es sind auch ganz banale, alltägliche Situationen, die sexistisch sein können. Sowas fällt unter den Begriff Alltagssexismus.
Es gibt auch an der RUB Anlaufstellen, an die sich Betroffene wenden können, wenn sie Sexismus erfahren. Auch wer Sexismus auf dem Campus beobachtet, kann sich an folgende Einrichtungen wenden:
- Gleichstellungsbüro
- Psychologische Beratung
- Unser Campus – eine Kampagne gegen sexualisierte Diskriminierung und Gewalt an der RUB
- Schwulenreferat
- Sozialberatung für Angestellte
Grundsätzlich vermitteln die RUB-Einrichtungen aber auch an externe Stellen weiter, wenn sie es für notwendig halten. Übrigens gilt immer: Im Notfall kann Hilfe über die Leitwarte der RUB gerufen werden.
Gibt es dafür ein Beispiel?
Sexismus ist, wenn die gleiche Verhaltensweise je nach Geschlecht völlig unterschiedlich bewertet wird.
Ein Mann mit vielen Liebschaften ist ein Frauenheld; eine Frau, die das gleiche tut, eine Schlampe. Oder zum Beispiel wird eine Kindergärtnerin anders wahrgenommen, wenn sie ein Kind umarmt, als ein Kindergärtner, der das gleiche tut.
Das sind auch Stereotype. Kann man hier wirklich schon von Sexismus, also einer Diskriminierung sprechen?
Unter Sexismus fallen – ich sag es jetzt mal sehr flapsig – schlimme und nicht ganz so schlimme Sachen. Mit dem Begriff soll nicht so sehr ausgedrückt werden, dass alles auf einer Stufe steht, sondern dass es hier einen Zusammenhang gibt, einen gemeinsamen Nenner.
Nehmen wir als Beispiel diesen Spruch: Stell dich nicht an wie ein Mädchen. Dahinter steckt eine ganz bestimmte Vorstellung von Geschlecht. Männer dürfen nicht weich sein, Frauen schon. Das ist eine Wertung.
Es macht einen Unterschied, ob ich diesen Spruch individuell nicht gut finde oder ob ich sage, dass das sexistisch ist. Suche ich das Problem bei mir, suche ich auch die Lösung bei mir. Das kann für die einzelne Situation wichtig sein, aber es geht nicht an die Wurzel des Problems. Nur individuell anzusetzen, ist keine nachhaltige Strategie gegen Sexismus.
Anna Schiff hat in Bochum Theaterwissenschaft, Geschichte und Gender Studies studiert. Seit 2018 promoviert sie an der RUB zum Thema weibliche, jugendliche Sexualität zwischen den 1920er- und den 1960er-Jahren.
Aber kann es nicht sein, dass so ein Spruch gesagt wird, ohne dass groß darüber nachgedacht wurde?
Das ist der springende Punkt, dass solche Sprüche gesagt werden, ohne dass groß darüber nachgedacht wurde oder dass eine böse Absicht dahintersteckt. Wer das Wort schwul als Schimpfwort benutzt, muss auch nicht zwangsläufig denken, dass Homosexuelle weniger wert sind als Heterosexuelle, sondern sagt das so dahin. Aber dass solche Sprüche Teil des Alltags sind, das macht etwas mit uns. Es normalisiert bestimmte Vorstellungen.
Sollten solche Sprüche in den konkreten Situationen benannt werden?
Jein. Denn ich habe es noch nie erlebt, dass ich oder jemand anderes gesagt hat, das ist sexistisch und dann eine angeregte, produktive, freundliche Diskussion entstanden ist. Menschen fühlen sich angegriffen, wenn ihre Aussagen als sexistisch benannt werden. Das kann ich auch völlig nachvollziehen.
Die meisten Diskussionen drehen sich meiner Erfahrung nach um die Frage, ob der Spruch wirklich schlimm genug ist, um sexistisch zu sein. Wenn man aber den Fokus verschiebt, von der Frage danach, was schlimm ist, hin zu der Frage, in welcher Welt wir eigentlich leben wollen, dann ist auch eine andere, eine positivere Auseinandersetzung mit dem Thema möglich.
Es geht nicht darum, füreinander Sexismus-Polizei zu spielen, sondern darum – ich sag’s jetzt mal ein bisschen kitschig – die Welt besser zu machen. Dass wir nicht akzeptieren müssen, wie die Welt ist, sondern sie ändern können, das ist der Spirit, der im Begriff Sexismus steckt.
Welche Lösungen gibt es gegen Alltagssexismus?
Hier gibt es unterschiedliche Ansätze und Lösungsvorschläge. Der jeweilige Lösungsvorschlag hängt natürlich davon ab, welche Faktoren bei der Entstehung und Erhaltung von Sexismus als besonders gravierend eingestuft werden.
Ein Teil dieser Lösungsstrategien sind institutionelle Anlaufstellen wie öffentliche Beratungsangebote. Aber auch kleine Sachen können ein Teil der Lösung sein. Zum Beispiel bei einer Veranstaltungsplanung auch eine Kinderbetreuung mitzudenken, damit Gäste ihre Kinder mitbringen können.
Sie haben ein Buch über Sexismus geschrieben. Warum beschäftigen Sie sich mit dem Thema?
Weil es eine gesellschaftliche Relevanz hat und weil es oft so schwer ist, darüber zu sprechen. Wer Sexismus anspricht, wird oft in die Pflicht genommen, Sexismus zu erklären. Und das ist nicht immer so einfach, schließlich gibt es viel Gegenwind.
Mit dem Einführungsbuch möchte ich dabei unterstützen. Für mich ist das eine Form der Wissenschaftskommunikation, bei der ich das akademische Wissen dazu aus dem Elfenbeinturm holen kann.
Anna Schiff: Sexismus, Papyrossa Verlag, Köln 2019, 130 Seiten, ISBN 9783894387136
6. November 2019
12.57 Uhr