Das neue Team vom Gleichstellungsbüro: Nina von Witzleben, Friederike Bergstedt, Nadine Müller und Viktoria Niebel (von links) © RUB, Marquard

Interview Für Gerechtigkeit und Diversität

Wie der Arbeitsalltag der Gleichstellungsbeauftragten aussieht, verrät Friederike Bergstedt.

Friederike Bergstedt, seit 2017 Gleichstellungsbeauftragte der RUB, hat im Januar 2020 ihre zweite Amtszeit begonnen. Im April wurden ihre beiden Stellvertreterinnen, Nadine Müller und Viktoria Niebel, und im Mai die dritte Stellvertreterin, Nina von Witzleben, gewählt. Zudem wurde ein neuer Rahmenplan zur Gleichstellungspolitik an der Ruhr-Universität Bochum verabschiedet. Anlass genug, Bilanz zu ziehen und in die Zukunft zu schauen.

Frau Bergstedt, was reizt Sie an der Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten, warum haben Sie sich für eine zweite Amtszeit beworben?
Ich setzte mich grundsätzlich gern für Gerechtigkeit ein. Das kann ich in dieser Position gut erfüllen. Aber um wirklich etwas bewegen zu können, ist eine einzige Amtszeit zu kurz. In den vergangen drei Jahren habe ich ein Fundament gelegt und wichtige Netzwerke etabliert. In den kommenden Jahren möchte ich darauf aufbauen und gezieltere Akzente setzen.

Was sind typische Tätigkeiten in Ihrem Alltag als Gleichstellungsbeauftragte?
Die Bandbreite ist groß: Ich bin viel in Gremien und berate zum Beispiel das Rektorat in Gleichstellungsfragen. Bei Bewerbungs- und Berufungsverfahren achte ich darauf, dass unsere Gleichstellungsgrundsätze eingehalten und Quoten erfüllt werden. Ich bin auch häufig involviert, wenn Förderanträge erarbeitet werden. Darüber hinaus bemühe ich mich, Menschen und Ideen zusammenzubringen: Die Geschlechterforschung an der RUB ist ja sehr renommiert und bringt immer wieder neue Erkenntnisse und Impulse auch für unsere eigene Gleichstellungspolitik. Nicht zuletzt beraten wir viele einzelne RUB-Angehörige, die Diskriminierungserfahrungen machen oder Fragen zu ihrer Karriereplanung haben.

Kommen auch Männer zu Ihnen?
Ja, sogar durchaus häufiger. Auch Männer erfahren Diskriminierungen, zum Beispiel als Homosexuelle. Es kommen aber auch Männer, die Angst haben, in den Verdacht sexueller Belästigung zu geraten. Wenn etwa ein Professor erzählt, dass ihm eine Studentin oder ein Student zu nahegekommen sei und er nun nicht wisse, wie er sich verhalten soll.

Ich bin keine Ermittlerin und auch keine Therapeutin.

Was raten Sie denn da? Sie sind keine Moralpolizei …
Genau. Ich bin keine Ermittlerin und auch keine Therapeutin. Es geht darum, unsere Grundsätze zur Chancengleichheit zu vermitteln und ihre Einhaltung zu fördern. Das berührt im konkreten Einzelfall aber viele Lebenslagen auch außerhalb meines Kompetenzbereichs. Um jedem Fall möglichst gerecht zu werden, helfen mir Leitfragen: Wie geht es der Person, kann ich eine weiterführende Hilfe vermitteln? Welche Verantwortung haben wir als Uni, müssen wir handeln? Ist das Thema vielleicht strafrechtlich relevant?

Sprechen wir über den neuen Rahmenplan: Wie sehen Sie die bisherigen Erfolge der Gleichstellungspolitik und was sind zukünftige Handlungsfelder?
Wir haben uns 2017 extern evaluieren lassen. Das Evaluationsteam war zunächst positiv überrascht, wie zahlenbasiert und systematisch wir arbeiten. Wir können sehr genau zeigen, auf welchen Karrierestufen sich die Geschlechteranteile wie entwickelt haben und welche Maßnahmen greifen.

Die Evaluatorinnen haben uns aber auch geraten, nicht nur auf quantitative Ziele zu achten, sondern organisationskulturelle Faktoren stärker zu berücksichtigen. Das haben wir in den Grundsätzen des neuen Rahmenplans auch formuliert. Zum Beispiel durch ganzheitliche Gendersensibilisierung in unserer Organisation, insbesondere in der Entwicklung der Führungskultur. Oder auch durch Förderziele für eine familiengerechte Hochschule. Ein Thema, das gerade jetzt durch Corona und die angespannte Betreuungssituation besondere Aktualität erfährt.

Ist die RUB denn eine gute Arbeitgeberin für junge Frauen?
Mit solch pauschalen Bewertungen bin ich vorsichtig, es kommt immer darauf an, mit wem man sich vergleichen will und über welche Bereiche der RUB wir sprechen. Sicherlich hat die RUB durch ihre besondere Gründungsgeschichte im Ruhrgebiet eine größere Offenheit für Diversität als manch anderer Campus, vor allem was soziale Diversität angeht. Das kann auch förderlich für die Etablierung einer gendersensiblen Kultur sein. Schaut man sich die Zahlen und Quoten an, so stehen wir auch faktisch im Vergleich gut da.

Nehmen wir zum Beispiel die Professuren: Durch eine konsequente Berufungspolitik hat die RUB den Frauenanteil bei ihren Professuren von 11 Prozent im Jahr 2004 auf mehr als 26 Prozent im Jahr 2019 gesteigert. Sie liegt damit und mit einem Frauenanteil von etwa 50 Prozent bei ihren Juniorprofessuren über dem Bundes- und Landesdurchschnitt.

Dennoch: Auch bei uns geht die Schere mit steigender Qualifizierungsstufe im Wissenschaftsbereich immer noch zu stark auseinander. Und in klassischen Männerdomänen, wie zum Beispiel in Ingenieurwissenschaften, sind Frauen nach wie vor auf jeder Karrierestufe unterrepräsentiert. Das Gleiche gilt für die technischen Berufe in Technik und Verwaltung. Dabei geht es uns nicht nur um ausgeglichene Geschlechterverhältnisse. Es geht auch um eine Weiterentwicklung unserer Führungs- und Arbeitskultur, die offen ist für Lebensformen aller Art.

Was würden Sie sich für die Zukunft mehr wünschen?
Eine breiter aufgestellte Diversity-Politik. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist nicht das einzige Thema, das uns bei der Förderung einer diskriminierungsfreien Universitätskultur beschäftigen sollte, zumal es auch eng mit anderen Diskriminierungsphänomenen verbunden ist. Ich denke da insbesondere an Rassismen, an den Umgang mit religiöser Vielfalt auf dem Campus oder auch die Inklusion von beeinträchtigten Menschen.

Die Vielfalt unserer Gesellschaft bildet sich noch nicht in den akademischen Führungsetagen ab.

Diversität war in Bochum zwar schon immer sehr präsent und erscheint vielen von uns als selbstverständlich. Trotzdem bildet sich die Vielfalt unserer Gesellschaft noch nicht in den akademischen Führungsetagen ab. Ich denke, nur wenn wir unsere blinden Flecke in Sachen Benachteiligung erkennen, können wir Talente optimal fördern und ausbilden. Zu diesem wichtigen Ziel unserer Universität möchte ich als Gleichstellungsbeauftragte gerne einen Beitrag leisten.

Veröffentlicht

Freitag
12. Juni 2020
10:07 Uhr

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