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Henning Börm erforscht antike Bürgerkriege
Bürgerkriege nicht nur politikwissenschaftlich, sondern auch historisch betrachten – dafür macht sich Prof. Dr. Henning Börm stark. Seit dem 1. August 2020 bekleidet er an der RUB eine Professur für gesellschaftliche Transformation im antiken Mittelmeerraum. Mit seiner Perspektive ergänzt er große, gesamtgesellschaftliche Themen wie Resilienz und Integration um eine wichtige geschichtswissenschaftliche Komponente.
Zu seinen Schwerpunkten gehören:
- Bürgerkriege und bürgerkriegsähnliche Zustände in antiken griechischen Stadtstaaten;
- das Römische Reich in der Spätantike vom vierten bis siebten Jahrhundert nach Christus;
- Kontakte und Konflikte zwischen der griechisch-römischen Welt und dem vorislamischen Iran;
- vergleichende Monarchieforschung und antimonarchische Diskurse im Altertum.
In der Erforschung von gewaltsamen internen Konflikten sieht Börm ein erhebliches wissenschaftliches Potenzial. Aufgrund seiner bisherigen Arbeit kommt er zum Beispiel zu der Erkenntnis, dass das weströmische Reich primär an inneren Konflikten gescheitert ist. „Das Reich hat sich gewaltsam desintegriert und somit selbst zerstört, die sogenannten Barbaren haben dann das Machtvakuum gefüllt. Eine ganze Kette von bürgerkriegsähnlichen Konflikten über 70 Jahre lang war die hauptsächliche Ursache für das Ende“, so Börm.
Es hat viel mehr Bürgerkriege gegeben, als wir annehmen.
Umso erstaunlicher sei, dass es keine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs Bürgerkrieg gibt. „Historiker aller Couleur müssten das Thema eigentlich viel stärker für sich entdecken – nicht nur die Althistoriker, sondern zum Beispiel auch die Mittelalterforscher“, so Börm, „denn es hat viel mehr Bürgerkriege gegeben, als wir annehmen. Wenn man einmal anfängt, sich intensiv damit zu beschäftigen, sieht man sie überall in der Geschichte – und es gibt neben Unterschieden auch wiederkehrende Muster.“
Doch die bisherige Bürgerkriegsforschung sei vor allem Sache der Politikwissenschaft, sagt Börm. „Das ist schade, denn wir könnten mit Blick auf die großen Themen unserer Zeit – vor allem Resilienz, Migration, Integration und Desintegration – noch ganz viel aus den Konflikten der Vergangenheit lernen.“
Das muss doch auch anders gehen.
Sehr großen Wert legt der Althistoriker auf die Vermittlung von Wissen und von seinen Forschungsergebnissen. „Mein Ziel ist eine anschauliche, zugängliche Forschung. Ich saß als Student in so vielen unfassbar schlechten Lehrveranstaltungen, dass ich mir seither denke: Das muss doch auch anders gehen“, erzählt er. Dass es anders geht, belegt unter anderem die Verleihung des Lehrpreises der Universität Konstanz im Jahr 2015 an den Hochschullehrer Börm.
Henning Börm, Jahrgang 1974, wurde in Flensburg geboren. Von 1995 bis 2002 studierte er Geschichte und Literaturwissenschaft an der Universität Kiel, wo er 2006 mit einer Arbeit über den spätantiken Geschichtsschreiber Prokop promovierte. „Prokop und die Perser“ zählt inzwischen zu den Standardwerken über die Historiographie der Spätantike. Seit 2008 war Börm am Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Universität Konstanz tätig, zuletzt als Privatdozent. Als Gastprofessor lehrte er an der Humboldt-Universität Berlin, in Tübingen und Innsbruck. 2019 wurde er in das Heisenberg-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft aufgenommen, seit 2020 lehrt er an der RUB.
5. August 2020
09.42 Uhr