Serie Neu ernannt
Andreas Löschel sucht gezielt die Vernetzung im Ruhrgebiet. © RUB, Marquard

Wirtschaftswissenschaft Andreas Löschel erforscht, wie Klimaschutz gelingen kann

Der Schlüssel liegt nicht nur in neuen Technologien, sondern auch darin, den einzelnen Menschen Anreize zu geben, sich klimafreundlicher zu verhalten.

Seit 1. September 2021 ist Prof. Dr. Andreas Löschel Inhaber der Professur für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der RUB. Selbst hier ankommen konnte er noch nicht, da er parallel Senior Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg, Greifswald, ist, von wo aus er gerade seine Projekte und sein Team vom bisherigen Lehrstuhl an der Uni Münster nach Bochum umzieht. „Mit der Erfahrung des digitalen Arbeitens aus der Coronazeit ist das machbar“, hat er festgestellt.

Grüner Wasserstoff und Digitalisierung

Auf den Wechsel nach Bochum freut er sich umso mehr: „Für meine Themen Klima, Energie, Umwelt und Wirtschaft ist das Ruhrgebiet als großer, wirtschaftsstarker Ballungsraum ideal“, sagt er. Habe man früher stark auf die Stromerzeugung geschaut, rücken jetzt Gebäude, Mobilität, Industrie in den Mittelpunkt. Die Frage, wie man diese Sektoren klimaneutral umgestalten kann, sei aber deutlich schwieriger zu beantworten. Deswegen sucht Löschel an der RUB gezielt Partner zur Vernetzung, die er hier in großer Zahl findet: Die RUB selbst verfügt über ingenieurwissenschaftliche Fakultäten und multidisziplinäre Forschungsbereiche, auch die Universitätsallianz Ruhr ist breit ausgerichtet. Mit dem RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung verbindet ihn bereits ein langjähriger intensiver Austausch.

Die Projekte, die Andreas Löschel mitbringt, sind hier ohne weiteres anschlussfähig. Einerseits beschäftigen sie sich mit dem Energieträger Wasserstoff – wie kann es gelingen, den Markt für grünen Wasserstoff in NRW, Deutschland und global sinnvoll hochzufahren? Intensivieren möchte Löschel sein Engagement im zweiten Schwerpunkt: Wie kann die Digitalisierung zur Energiewende beitragen? „Wir untersuchen zum Beispiel, wie die Digitalisierung und digitale Angebote Menschen dabei unterstützen können, sich umweltfreundlich zu verhalten“, erläutert der Forscher. Aktuell wurde eine Studie abgeschlossen, welche Infos Menschen beim Online-Shopping dazu bringen können, energieeffizientere Produkte zu kaufen.

Die Leute finden Klimaschutz zwar wichtig, sind aber nicht bereit, größere Einschränkungen dafür in Kauf zu nehmen.

Sein drittes großes Thema: Was sind die Vorzüge von Klimapolitik jenseits des Klimaschutzes? „Die Leute finden Klimaschutz zwar wichtig, sind aber nicht bereit, größere Einschränkungen dafür in Kauf zu nehmen“, berichtet er. „Der eigene Beitrag des Einzelnen ist einfach zu klein.“ In zahlreichen experimentellen Studien konnte Löschels Team zeigen, dass das so ist und es oft andere Gründe sind, die Menschen zu klimafreundlichem Verhalten antreiben. So ist es gesundheitsförderlich, mit dem Rad zu fahren. Weniger Autofahren verbessert die Luft. Der Ausbau erneuerbarer Energien kann Arbeitsplätze schaffen. Aufforstung schafft Erholungsräume. „Eine Studie in China hat gezeigt, dass der größte Teil der Klimaschutzanstrengungen auf solche regionalen Vorteile zurückzuführen ist.“

Erreichbar: das 2°C-Grad-Ziel

Mit Blick auf das gesamte Problem Klimawandel ist Andreas Löschel, der als Leitautor des Weltklimarates am Weltklimabericht 2014 beteiligt war und am derzeit entstehenden Bericht 2022 mitarbeitet, verhalten optimistisch. „Dass wir das 2°C-Ziel erreichen, ist möglich – 1,5°C wohl eher nicht“, meint er. Daher sei auch eine Anpassung an die Effekte des Klimawandels gefragt. Im reichen globalen Norden werde sie besser gelingen als im Süden, so Löschels Einschätzung. „Daher müssen wir hier und heute Kosten stemmen, die den Süden vor allem in der Zukunft unterstützen.“ Entscheidend sei es, die CO2-Emissionen bis 2050 auf null zu senken. Danach muss CO2 sogar aus der Atmosphäre geholt werden. „Dafür sind breite Innovationen im Bereich der Elektrifizierung, Wasserstoff und der CO2-Abscheidung, -speicherung und -nutzung notwendig. Vieles ist tatsächlich schon bekannt, aber in einem frühen Entwicklungsstadium. Jetzt geht es darum, den sozio-ökonomischen Rahmen für die Klimaneutralität zu entwickeln.“

Zur Person

Andreas Löschel, geboren 1971, studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg und promovierte 2003 an der Universität Mannheim zu den ökonomischen Wirkungen des Kyoto-Protokolls. Seine Habilitation folgte 2009 an der Universität Oldenburg. Es schlossen sich Tätigkeiten am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim, sowie für die Europäische Kommission in Sevilla, Spanien, an. 2010 bis 2014 war Andreas Löschel Professor für Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Umwelt‐ und Ressourcenökonomik am Alfred‐Weber‐Institut für Wirtschafswissenschaften der Ruprecht‐Karls‐Universität Heidelberg. 2014 wechselte er auf den Lehrstuhl für Mikroökonomik, insbesondere Energie‐ und Ressourcenökonomik der Westfälischen Wilhelms‐Universität Münster, wo er auch Direktor des Centrums für Angewandte Wirtschaftsforschung war. Zurzeit ist er Senior Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg, Greifswald, und seit September 2021 Inhaber des RUB-Lehrstuhls für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit.

Seit 2011 ist Löschel Vorsitzender der Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft" der Bundesregierung. Er leitet seit 2017 das Virtuelle Institut Smart Energy in Nordrhein-Westfalen. Er ist Leitautor des Weltklimarates für den fünften und sechsten Sachstandsbericht (2010-2014, 2017-2021) sowie Mitglied der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften acatech. Im FAZ-Ökonomenranking war Andreas Löschel mehrfach unter den 50 einflussreichsten Ökonomen in Deutschland.

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Veröffentlicht

Freitag
10. September 2021
09:14 Uhr

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