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Gunda Werner macht das Bild der Theologie bunter
„Dogmatik befasst sich mit den Inhalten des Glaubens und fragt danach, wie sie entstanden sind und entschieden wurden. An diesen Prozessen interessiert mich vor allem: Wer entscheidet und wer entscheidet nicht?“, sagt Prof. Dr. Gunda Werner. Sie ist seit dem 1. März 2022 Professorin für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der RUB.
In ihrer Forschungsarbeit hinterfragt sie die katholische Tradition in vielerlei Hinsicht: Wie können Glaubensinhalte heute verstanden und vermittelt werden? Was bedeuten zum Beispiel Schuld und Vergebung im christlichen Kontext und wie wird dies in der katholischen Tradition verstanden?
Wie gängige Geschlechterklischees zustande kommen
Ein besonderes Augenmerk legt sie auf das Verhältnis der Geschlechter. Wie kommt die gängige Geschlechtervorstellung zustande, die bis heute wirksam ist, also dass Männer bestimmte Eigenschaften haben sollten, Frauen wiederum andere? „Um diese Fragen zu untersuchen, gucke ich in die Geschichte der Theologie und ihrer Entwicklungen und schaue auf die Kreuzung der Macht. Wer zum Beispiel definiert, was Frau-Sein heißt und was Frauen dürfen und was nicht?“, erklärt Gunda Werner.
Ein Forschungsfeld, das in diesen Kontext gehört und katholisch im deutschsprachigen Raum bisher fast nicht vorkommt, ist die Queer-Theologie: eine Theologie, die nicht nur aus der Perspektive queerer Menschen betrieben wird, sondern die Anfragen, Analysen und Erkenntnisse der Queer-Studies aufnimmt. Auf diese Weise will sie diskriminierungskritisch gängige theologische Themen neu durchdenken. „Dies wird der Forschungsschwerpunkt sein, den ich in den kommenden Jahren aufbauen werde und der durchaus ein Alleinstellungsmerkmal in der katholischen Theologie sein wird“, unterstreicht die Forscherin. „Da wird es darum gehen, bestehende queer-theologische Literatur, besonders aus dem englischsprachigen Raum, wo die Queer-Theologie seit langem etabliert ist, anzuschaffen und in den deutschsprachigen Diskurs zu bringen und mit Kolleg*innen, vor allem im interdisziplinären Diskurs, theologische Themen aus dieser Perspektive zu denken.“ Dabei wird es nicht nur um die Frage der Gottesbilder gehen oder der Geschlechterrollen. Es wird auch um das Aufarbeiten von Verschweigen anderer geschlechtlicher Identitäten gehen, um eine Neucodierung bestehender Vorstellungen. „Hier kann ich auf die intensiven Arbeiten der gendertheoretischen und feministisch geprägten Theologie zurückgreifen und das Bild der Theologie bunter sein lassen“, so Gunda Werner.
Gründe für die Rückkehr an die RUB
Bochum sei dafür mit dem Marie-Jahoda-Center und dem engagierten Eintreten für eine diskriminierungsfreie Hochschule der ideale Ort für diese Forschung und die Lehre, die sich davon inspirieren und leiten lasse. „Die etablierten Gender-Studies und die Möglichkeiten, interkonfessionell zu arbeiten sowie mit den vielen Theologien im Ruhrgebiet und NRW sind für mich Gründe gewesen, wieder nach Bochum zurück zu kommen“, sagt Gunda Werner, die bereits zwischen 2012 und 2016 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin hier gearbeitet hat. „Zudem liegt mir die Ausrichtung des Lehrstuhls mit Dogmatik und Dogmengeschichte, weil große Teile meines Forschens dogmengeschichtlich sind – eben unter intersektionaler, gender- und queertheoretischer Perspektive.“
Gunda Werner studierte zwischen 1994 und 1998 katholische Theologie und Philosophie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Franziskaner und Kapuziner und der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. 2005 wurde sie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster promoviert.
Parallel dazu und im Anschluss arbeitete Gunda Werner unter anderem in der Jugendseelsorge, als Referentin verschiedener kirchlicher Ämter und Gremien und war an den Weltjugendtagen in Toronto und Köln beteiligt. 2010 war sie Visiting Scholar an der School of Theology am Pontifical College Josephinum, Columbus, Ohio, USA. 2010/2011 verbrachte sie 400 Tage auf dem Fahrrad von Bonn nach Tokyo für eine Feldstudie zum wissenschaftlichen Projekt „Subjektivationsprozesse – Ende des Dialogs?“.
Von 2012 bis 2016 kam sie dann als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die RUB und war unter anderem Projektleiterin im Projekt InStudies. 2015 schloss sie als erste Frau ihre Habilitation an der Katholisch-Theologischen Fakultät der RUB am Lehrstuhl für Dogmatik und Dogmengeschichte ab.
Als Vertretungsprofessorin arbeitete sie 2015 bis 2016 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Daran anschließend war sie 2016 bis 2018 Juniorprofessorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen. Im Wintersemester 2017/18 war sie Vertretungsprofessorin an der RUB. 2018 bis zu ihrem Ruf an die RUB war sie Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz, Österreich. Sie ist seit 2019 Vorsitzende von AGENDA – Forum katholischer Theologinnen e.V.
12. Oktober 2022
09.26 Uhr