Neurowissenschaft Valerie Jentsch erforscht unsere Reaktionen auf Stress
Wie wirkt sich Stress auf unsere Emotionen und kognitiven Fähigkeiten aus? Dr. Valerie Jentsch geht diesen Fragen auf den Grund. Und engagiert sich nebenbei für die Early Career Researchers des SFB 1280.
Was motiviert Sie, jeden Tag ins Labor zu gehen?
Die Vielfalt des Forschungsalltages. Hier kann ich so Vieles sein: Forschende, Lehrende, Projektmanagerin, Autorin. Ich darf Wissen an Studierende weitergeben, große Projekte von der Antragstellung bis zur Datenauswertung durchführen, Forschungsergebnisse publizieren. Mir gefallen besonders der Austausch mit anderen Wissenschaftler*innen und die Einblicke in unterschiedliche Forschungsprojekte. Man lernt so viel und lernt nie aus – das bringt der Beruf der Wissenschaftlerin mit sich.
Was fasziniert Sie an der Kognitiven Neurowissenschaft?
An meiner Fachdisziplin, der kognitiven Neurowissenschaft, begeistert mich, dass wir über die klassische Ausgabe von Fragebögen hinaus, die physiologischen Prozesse und Reaktionen unserer Proband*innen messen können. Mich faszinieren die biologischen Prozesse und die objektiven Messeinheiten. Denn die Aussagen unserer Proband*innen auf die Fragen in den Bögen sind natürlich subjektiv. In meiner Promotion habe ich zum Beispiel die Gehirnaktivität meiner Probanden*innen mittels funktioneller Bildgebung (fMRT) gemessen. Anhand dieser konnte ich herauszufinden, wie sich das Stresshormon Kortisol auf unser Erinnerungsvermögen auswirkt: Welche Hirnareale sind da aktiv? Welche werden durch Kortisol unterdrückt oder verstärkt?
Subjektive Stresseinschätzung und hormonelle Stressreaktion stimmen nicht unbedingt überein.
In unseren Projekten zur Stressforschung messen wir häufig die Pupillenweitung und die Hautleitfähigkeit der Proband*innen während verschiedener kognitiver und emotionaler Prozesse – beides sind objektive Maße für unsere Erregung. Das können Proband*innen nicht beeinflussen. Ich finde es immer spannend auszuwerten, ob die subjektive Einschätzung der Proband*innen – also das, was wir über Fragebögen oder Ratings erheben, – zu den physiologischen Reaktionen passen. Tatsächlich zeigen unsere Daten zum Beispiel häufig, dass die subjektive Stresseinschätzung nicht unbedingt mit der hormonellen Stressreaktion übereinstimmt.
Welches Forschungsergebnis hat Sie am meisten überrascht?
Besonders überraschend fand ich, dass akuter Stress, also die Ausschüttung des Stresshormons Kortisol, sich förderlich auf unsere Fähigkeit, unsere Emotionen zu regulieren auswirkt. Wir hatten das Gegenteil vermutet. In Nachfolgestudien haben wir diesen Fund immer wieder bestätigen können.
Aktuell beschäftige ich mich mit der aufregenden Frage, wie sich Sport auf das Extinktionslernen auswirkt, also auf Prozesse des Lernens, Erinnerns und Vergessens. Diese Forschungsfrage begeistert mich aktuell sehr, weil ich persönlich sehr gern Sport mache, das Forschungsprojekt meine persönlichen Interessen widerspiegelt.
Sie sind die Vorsitzende der Early Career Researchers (ECR) des Sonderforschungsbereiches 1280. Was hat Sie motiviert, diese Aufgabe zu übernehmen?
Ich fand den Austausch unter den Early Career Researchern schon als Doktorandin ganz toll. Sich mit Gleichgesinnten, die in der gleichen Phase stecken, auszutauschen, fand ich sehr bereichernd. Man denkt ja immer, man wäre mit seinen Problemen allein. Die Treffen waren fruchtbar, wir haben an Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen, selbst Workshops organisiert, von Coachings, etwa im Bereich Wissenschaftskommunikation, profitiert. Außerdem haben wir gemeinsam Symposien organisiert und renommierte internationale Forschende dafür als Speaker*innen gewinnen können.
Die Early Career Researchers sind die Zukunft der Forschung.
Ich habe also gerne den Vorsitz der ECR übernommen, als man mich gefragt hat. Diese Vernetzung unter den Doktorand*innen ist so wertvoll. Dadurch ergeben sich auch mitunter kleine Forschungskooperationen. Die ECR sind die Zukunft der Forschung. Es ist super wichtig, sich für diesen Nachwuchs zu engagieren. Ich habe immer viel Zuwendung und Unterstützung von fortgeschritteneren Forschenden bekommen. Das möchte ich jetzt als Postdoktorandin weitergeben.