Quantencomputer Rätselhafte Rechenoperationen bei Eiseskälte
Quantencomputer gelten als revolutionär für die Informationstechnik. Auf dem Weg dorthin gibt es aber noch viele Forschungsfragen zu lösen.
Quantencomputer – den Begriff liest man inzwischen häufiger. Und dazu sieht man Bilder von exotisch anmutenden hängenden Gebilden, in denen zahlreiche Leitungen mehrere goldene Etagen miteinander verbinden. Mit dem Aussehen klassischer Computer, die in jedem Haushalt stehen, haben sie nichts gemein. Und sie sind auch weit davon entfernt, in jedem Haushalt stehen zu können. Denn viele von ihnen benötigen spezielle Umgebungsbedingungen für den Betrieb: beispielsweise möglichst tiefe Temperaturen – nahe dem absoluten Nullpunkt.
„Das liegt daran, dass Quantenbits, die Speichereinheiten der Quantencomputer, sehr klein und deshalb auch sehr empfindlich sind“, erklärt Prof. Dr. Michael Walter, Leiter des Lehrstuhls für Quanteninformation an der Ruhr-Universität Bochum. Je höher die Temperatur, desto mehr bewegen sich die Teilchen in einem Quantencomputer. Dieses mikroskopische Rauschen stört die Quantenbits.
Das Besondere: Anders als in klassischen Computern ist es sehr viel schwieriger, Information in Quantencomputern redundant zu speichern. Wird also ein einziges Quantenbit gestört, kann Information schnell verlorengehen. „Aktuelle Quantencomputer sind deshalb noch auf wenige tausende Rechenoperationen begrenzt“, weiß Michael Walter. Um die Systeme in die Anwendung zu bekommen, müssen sie also zunächst robuster werden. „Das Zauberwort lautet Fehlerkorrektur“, so Walter. Theoretisch ist das gut verstanden. Es wird aber noch einige Jahre Entwicklungsarbeit benötigen, das in die Realität umzusetzen.
Was die Existenz von Quantencomputern bedeuten würde
Unabhängig vom aktuellen Hardware-Entwicklungsstand zielt Michael Walters Forschung darauf ab, zu ergründen, was die Existenz von stabil laufenden Quantencomputern bedeuten würde. Quantencomputer werden gängige Verschlüsselungsverfahren mühelos brechen können. Wie lässt sich sicherstellen, dass das nicht auch mit neuartigen Verschlüsselungsverfahren passiert? Wie können Quantencomputer helfen, für mehr Sicherheit zu sorgen? Wie lassen sich Quantendaten verschlüsseln? Walters Arbeit rund um IT-Sicherheitsfragen ist eingebettet in das Exzellenzcluster CASA – Cybersicherheit im Zeitalter großskaliger Angreifer.
Eine Herausforderung, die den Informatiker besonders umtreibt, ist der Wunsch, mit Quantencomputern für mehr Sicherheit zu sorgen. Ein Problem heutiger Verschlüsselungstechniken ist, dass verschlüsselte Nachrichten prinzipiell abgefangen, gespeichert und in vielen Jahre mithilfe von Quantencomputern entschlüsselt werden könnten. Eine Verschlüsselung mit everlasting security hingegen würde sicherstellen, dass eine Information, die im Moment das Abfangens nicht geknackt werden kann, auch später nicht mehr entschlüsselt werden kann. Mit Quantenbits ist das möglich.
Ewige Sicherheit dank Quanteninformatik
Die Forschenden gehen dabei von folgendem Szenario aus: Alice will Bob eine geheime Information schicken. Das passiert in Form eines Quantenbits, kurz auch Qubit genannt. Eve versucht, dieses Qubit abzufangen, zu speichern und unbemerkt durch ein anderes Qubit auszutauschen – ein sogenannter Person-in-the-middle-Angriff.
Verhindern lässt sich dieser Angriff mit folgendem Trick: Alice schickt Bob ein Qubit, das mit einem anderen Qubit verschränkt ist. Verschränkung bedeutet, dass die beiden Qubits zwar räumlich voneinander getrennt sind, aber dennoch miteinander verbunden. Dadurch kennt das eine Qubit den Zustand des anderen. Versucht Eve also das versendete Qubit zu manipulieren, so können Alice und Bob diesen Eingriff feststellen. Die Idee für eine sichere Kommunikation basierend auf verschränkten Qubits ist nicht neu. „Bislang war allerdings nicht bekannt, wieviel Interaktion dafür wirklich notwendig ist“, erklärt Michael Walter. Zusammen mit CASA-Partnern entwickelte seine Gruppe ein neues Protokoll, das diese grundlegende Frage beantwortet.
Wege im Netzwerk finden
Unabhängig von den IT-Sicherheitsaspekten interessiert sich das Team von Michael Walter für viele andere Fragen in der Quanteninformatik. Dabei wird er auch von einem prestigeträchtigen ERC Grant des europäischen Forschungsrats unterstützt. Ein Fokus liegt dabei auf Algorithmen, mit denen Quantencomputer bestimmte Aufgaben schneller lösen können. Beispielsweise das sogenannte Erreichbarkeitsproblem. Ziel dabei ist, in einem Graphen einen Weg von A nach B zu finden. „Man kann es sich vorstellen wie die Suche nach einem Weg von einer Stadt zur anderen in einem komplexen Netz aus Straßen und Orten“, beschreibt der Informatiker. „Das Problem könnte man lösen, indem man versucht, sich einen Überblick über die Karte zu verschaffen. Dazu müsste man die gesamte Karte oder zumindest einen großen Teil speichern, sodass man den Weg von A nach B sehen kann.“
Ein alternativer Ansatz wäre, einen zufälligen Weg zu gehen. „Das wäre so, wie wenn eine betrunkene Person aus einer Bar kommt und versucht, nach Hause zu finden, indem sie an jeder Straßenecke eine zufällige Entscheidung trifft“, veranschaulicht Walter. „Das ist wenig zielgerichtet, funktioniert aber genauso, wenn auch langsamer. Der Vorteil: Der Algorithmus muss sich keinerlei Information merken, außer den Ort, an dem man sich gerade befindet.“ Diese Methode – auch random walk oder Zufallssuche genannt – klingt nicht intuitiv, aber: „Wir haben einen Random-Walk-Algorithmus für Quantencomputer gefunden, der das Problem viel schneller löst als die klassische Zufallssuche“, schildert Michael Walter.
Schnell mit wenig Speicher
Während es bei klassischen Computern einen Wettstreit zwischen Speicherplatz und Geschwindigkeit gibt – wenig Speicher bedeutet zugleich langsam –, zeigt Walters Forschung, dass diese Einschränkung für Quantencomputer nicht gelten würde. Die Quanten-Zufallssuche braucht minimalen Speicherplatz und findet trotzdem schnell eine Lösung für das Erreichbarkeitsproblem. Aber: „Aufgrund der Natur der Quantencomputer würde der Algorithmus nur die Information ausgeben, dass es einen Weg von A nach B gibt, nicht aber den Weg selbst“, so Walter. Denn in dem Moment, in dem man den Zustand der Qubits misst, um herauszufinden, welchen Weg der Algorithmus gerade nimmt, würde man den Quantenzustand zerstören und die Rechnung unterbrechen.
So funktioniert ein Quantencomputer
Es ist faszinierend, dass wir das Problem lösen können, ohne zu wissen, wie wir nun eigentlich ans Ziel gekommen sind.
Michael Walter
„Gerade wenn man einen neuen Algorithmus entwickelt, wäre es praktisch, in seine Arbeitsweise hineinschauen zu können“, bedauert Michael Walter. „Andererseits ist es auch faszinierend, dass wir das Problem lösen können, ohne zu wissen, wie wir nun eigentlich ans Ziel gekommen sind“, sagt er.
Das Problem mit den parallelen Prozessen
Häufig liest man, dass Quantencomputer viel leistungsfähiger sein werden als klassische Computer, weil in ihnen vieles parallel geschieht. „So einfach ist das zum Glück nicht“, erklärt der Forscher. „In Quantencomputern passiert so einiges, aber sie rechnen nicht einfach parallel, sondern folgen völlig anderen Spielregeln als gewöhnliche Rechner.“ Die eigentliche Herausforderung sei es, aus den vielen Dingen, die gleichzeitig passieren, am Ende ein einziges Ergebnis zu erzeugen. „Man kann sich das wie ein Orchester vorstellen“ vergleicht Michael Walter. „Nur wenn alle Instrumente auf die richtige Weise zusammenwirken, entsteht wohlklingende Musik. Genauso es ist mit den Qubits in einem Quantenalgorithmus.“
Bis es Entwicklerinnen und Entwicklern gelingt, das Orchester richtig zu trainieren und die exotisch anmutenden goldenen Gebilde in Routinearbeiten einsteigen können, werden noch ein paar Jahre vergehen. Aber wenn es so weit ist und Quantencomputer etabliert sind, werden Michael Walter und sein Team schon einige Algorithmen bereithaben, die dem Orchester zu neuen Klängen verhelfen.