Qualitative Sozialforschung Maria Pohn-Lauggas erforscht die Auswirkungen kollektiver Gewaltvergangenheiten
Die Soziologin forscht transnational und methodenplural.
Seit dem 1. September 2024 ist Maria Pohn-Lauggas Professorin für Methoden der qualitativen Sozialforschung an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität. Die gebürtige Österreicherin ist aus Göttingen nach Bochum gekommen. Hier bekleidet sie eine Heisenberg-Professur der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), zudem bringt sie zwei laufende, DFG-geförderte Forschungsprojekte mit.
Die Titel der Projekte spiegeln die Schwerpunkte ihrer Arbeit wider:
- „Gemeinschaftsfremde“ und „Staatsfeinde“: Intergenerationale Handlungs- und Erinnerungsstrukturen in Familien stigmatisierter NS-Opfer in Österreich und Deutschland
- Sklaverei und Sklavenhandel im individuellen und kollektiven Gedächtnis: Ein kontrastiver Vergleich verschiedener lokaler Gemeinden, Generationen und Gruppierungen in Ghana und Brasilien
Maria Pohn-Lauggas erforscht kollektive Gewaltvergangenheiten und deren Auswirkungen auf gegenwärtige Gesellschaften. In ihrem Blickpunkt steht zum einen die Verfolgung bestimmter Gruppierungen im Nationalsozialismus, etwa Homosexuelle, sogenannte Asoziale oder die Zeugen Jehovas, zum anderen die Sklaverei und der Sklavenhandel in bestimmten Regionen in Ghana und Brasilien. „Hier interessiert mich, wie sich diese zum Teil weit zurückliegenden Erfahrungen auf die Familiengedächtnisse auswirken“, erläutert sie. „Also wie erinnern die Familien diese Verfolgungen, die ja auch tabuisiert werden und von Stigmatisierung geprägt sind? Und wie wirkt sich das auf die familialen Beziehungen aus, auf die biographischen und intergenerationalen Strukturen?“
Ich habe immer einen stark transnationalen Zugang in meiner Forschung.
Aus ihrer Herangehensweise ergibt sich jeweils ein internationaler Rahmen: „Ich habe immer einen stark transnationalen Zugang in meiner Forschung. Das Thema Nationalsozialismus bezieht sich auf Deutschland und Österreich, beim Thema Sklaverei in Bezug auf Ghana, Brasilien ist es ein Vergleich der beiden Länder, aber auch in der Forschung bilden wir ein transnationales Forschungsteam und arbeiten mit Kolleginnen und Kollegen vor Ort zusammen.“ Das Heisenberg-Projekt, für das sie mit ihrer Professur gefördert wird, kombiniert dies alles unter der Leitfrage: „Wie können qualitative und interpretative Methoden in Kontexten kombiniert werden, die durchzogen sind von Tabuisierungen, kollektiven Gewalterfahrungen und spezifischen Herrschaftsverhältnissen?
Es gab hier einige große Oral-History-Projekte in den 1970er- und 80er-Jahren.
Maria Pohn-Lauggas ist Biographieforscherin. Eines ihrer Haupterhebungsinstrumente ist das biografisch-narrative Interview in Kombination mit Familiengesprächen, teilnehmender Beobachtung, Diskursanalyse bis hin zur visuellen Soziologie, also der Analyse von Bildern und Interviews über Bilder, die unsere Erinnerung maßgeblich prägen. Für die qualitative Sozialforschung sei die Universität Bochum daher ein sehr interessantes Feld, sagt die Forscherin. „Es gab hier einige große Oral-History-Projekte in den 1970er- und 80er-Jahren. Die Biografieforschung ist der Oral History sehr verbunden. Da sehe ich viele Anschlusspunkte im Bereich der Erforschung kollektiver Gedächtnisse.“