Serie 500 Jahre Reformation
Dass die Kirche überflüssig wird, kann sich Prof. Dr. Peter Mommer eigentlich nicht vorstellen. © RUB, Kramer

Interview Theologie und Familie im Einklang

Für Peter Mommer ist Luther ein Beispiel für die gelungene Verknüpfung zweier Lebensbereiche, die in manchen Konfessionen nicht zusammenzubringen sind.

Was verbinden Sie mit Martin Luther?
Martin Luther fasziniert mich als Persönlichkeit: ein zutiefst frommer Mann mit deutlicher Sprache, der die Dinge des Glaubens auf den Punkt bringen kann. Doch trotz zum Teil schroffer Ausdrucksweise ist seine gesamte Theologie stark seelsorgerlich orientiert. Ganz persönlich, und das sage ich als Wissenschaftler und als Pastor, ist Luther für mich ein gelungenes Beispiel für die Verbindung von wissenschaftlicher Theologie, kirchlicher Praxis und vor allem familiärem Leben. Beruf und Berufung fallen zusammen und verbinden sich in glücklichster Weise mit dem ganz persönlichen Lebensbereich – von Entfremdung keine Spur.

Was war Ihrer Meinung nach die bedeutendste Folge der Reformation, die unsere Gesellschaft heute noch prägt?
Luther hat das Individuum vor Gott in das Zentrum der Theologie gestellt. Die Kirche als Institution tritt dahinter deutlich zurück. Glaube und Gewissen bestimmen das Leben, nicht mehr die Institution. So verliert die Kirche an Macht – gegenüber den einzelnen Gläubigen wie auch gegenüber dem Staat.

Letztlich wird damit die Trennung von Staat und Kirche eingeleitet, die den modernen Verfassungsstaat unter anderem charakterisiert. Religion wird so zwar nicht Privatsache, aber sie wirkt (nur) noch mittelbar durch christlich orientierte Menschen auf die Gestaltung der Gesellschaft und des Staates.

Zur Person

Prof. Dr. Peter Mommer ist seit 2010 Honorarprofessor  für Altes Testament und Hebräisch an der Evangelischen-Theologischen Fakultät der RUB. Er arbeitet ehrenamtlich als Pastor der westfälischen Kirche und ist Mitglied im Presbyterium seiner Gemeinde. Im Jahr des Reformationsjubiläums beschäftigte er sich in öffentlichen Vorträgen und offenen Gesprächskreisen mit der Frage, ob Luthers Theologie noch aktuell ist.

Was glauben Sie, wie sich die christliche Kirche in Zukunft verändern wird?
In Westeuropa steckt die Kirche in einer Krise, die ihre Ursachen in der demografischen Entwicklung sowie einer schleichenden Indifferenz dem Glauben gegenüber hat. Blickt man auf 2.000 Jahre Geschichte, sieht man, dass die Kirche gerade in Krisenzeiten ihre größte Kraft entfaltet hat. Sie hat ein Alleinstellungsmerkmal: die Botschaft von der Versöhnung mit Gott. Gelingt es, diese Kernbotschaft in eine neue Zeit zu übersetzen, hat Kirche auch weiter Zukunft. Dass ihr Dienst an den Menschen und der Gesellschaft überflüssig werden könnte, kann ich mir nicht wirklich vorstellen.

500 Jahre Reformation

Im Jahr 2017 wird in Deutschland und anderen Ländern das 500. Reformationsjubiläum gefeiert. Auch wenn die Erneuerungsbewegung ein jahrzehntelanger Prozess war, gilt der 31. Oktober 1517 als ihr Auftakt. An diesem Tag soll Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel der Kirche und die Käuflichkeit kirchlicher Ämter veröffentlicht haben. Die Bewegung führte nicht nur, wie anfangs beabsichtigt, zu einer Reformation der römisch-katholischen Kirche, sondern zur Spaltung des westlichen Christentums. Sie wirkte aber auch weit über den religiösen Bereich hinaus und beeinflusste Wirtschaft, Politik, Recht, Kunst, Sprache und Soziales.

Veröffentlicht

Montag
30. Oktober 2017
09:35 Uhr

Von

Julia Weiler

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