Geschichte Otto John: Patriot oder Verräter?
Der erste Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz wurde wegen Landesverrats angeklagt. Ob seine Verurteilung gerechtfertigt war, haben Historiker anhand von ehemals geheimen Akten herausgefunden.
Der Widerstandskämpfer gegen die Nazis Otto John wurde 1950 der erste Präsident des deutschen Inlandsgeheimdienstes. Dann der Skandal: Er verschwindet in die DDR, tritt mit merkwürdigen Botschaften auf Pressekonferenzen auf. Wieder im Westen, wird er als Verräter verurteilt. Was war wirklich passiert? Das ergründen die Historiker Prof. Dr. Benjamin Carter Hett von der City University of New York und Prof. Dr. Michael Wala von der RUB auch anhand von Stasi-Material. Ihr Buch „Otto John. Patriot oder Verräter“ ist im Rowohlt-Verlag erschienen.
Einer der großen Skandale der 1950er-Jahre
Nach 1949 wurden viele Behörden der noch jungen Bundesrepublik Deutschland von ehemaligen Nationalsozialisten geleitet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz bildete eine Ausnahme: Sein Präsident Otto John kam aus dem Umfeld des Widerstandes. Am zehnten Jahrestag des Attentats auf Hitler jedoch tauchte er überraschend in der DDR auf. Auf Pressekonferenzen äußerte er unter anderem Kritik an der starken Orientierung der Bundesrepublik an den USA. Nach seiner Rückkehr ein Jahr später behauptete er, von DDR-Agenten entführt worden zu sein. Man glaubte ihm nicht: John wurde des Landesverrats angeklagt und zu vier Jahren Haft verurteilt. Bis zu seinem Tod 1997 bemühte er sich immer wieder um eine Rehabilitierung, allerdings ohne Erfolg.
Was wirklich geschah
Benjamin Carter Hett und Michael Wala zeigen anhand der historischen Quellen auf, was nach Johns Verschwinden geschah. „Dabei zeigt sich, dass John zu einem Spielball der östlichen Geheimdienste wurde“, erklärt Michael Wala. „Man muss Johns Handlungen im Kontext der damaligen Zeit sehen“, betonen die Autoren. Er war als ehemaliger Widerständler von den politischen Entwicklungen enttäuscht und wurde nach seiner Rückkehr als doppelter Verräter verleumdet. Gerade bei dem Prozess gegen ihn spielten solche Ressentiments eine wichtige Rolle.
„Einige Akten in amerikanischen wie russischen Geheimdienstarchiven über John sind bis heute geschlossen und die vorliegenden Zeitzeugenaussagen nicht widerspruchsfrei“, so Wala. Alles deute aber darauf hin, dass John freiwillig in die DDR gegangen sei, um dort mit politischen Vertretern der Sowjetunion über die Lösung politischer Probleme zu sprechen. Dass ihn dann der sowjetische Geheimdienst dort festhalten und instrumentalisieren würde, habe er aus Naivität nicht vermutet. Insofern hätte er freigesprochen werden müssen.