Schule Warum man nicht alles glauben sollte, was in Schulbüchern steht
Was in Lehrbüchern abgedruckt ist, muss doch stimmen – oder doch nicht?
„Iss Spinat, da ist viel Eisen drin.“ Was Generationen von Kindern dazu nötigte, das grüne Gemüse über sich ergehen zu lassen, erwies sich später als Irrtum. Auch Biologiebücher saßen den falschen Berechnungen über den Nährstoffgehalt von Spinat auf. Dass dies nicht der einzige Fall eines Schulbuchmythos ist, weiß Prof. Dr. Björn Rothstein, der an der Professional School of Education der RUB das Ressort „Wissenschafts-Praxis-Transfer und Fortbildung“ leitet.
Herr Rothstein, welche Schulbuchmythen außer dem Spinat-Fake kennen Sie?
Ich glaube, man sollte zunächst einmal festhalten, dass der Spinat-Fake etwas ist, was nicht nur Schulbücher über lange Zeit vermittelt haben. Die Schulbücher und ihre Verlage haben nur etwas tradiert, was gesamtgesellschaftlich geglaubt wurde.
Insofern ist das Ziel unserer Veranstaltung nicht, Schulbuchverlage zu kritisieren, sondern eher zu überlegen, welche Mechanismen zu den Mythen geführt haben.
Ich kann mich gut daran erinnern, wie unser Mathematiklehrer uns darum bat, eine handschriftliche Korrektur in unserem Mathematikbuch vorzunehmen. Das hat mich als Sechstklässler beschäftigt, denn Gedrucktes – so dachte ich – ist doch immer richtig. Ein einfaches Rechenzeichen stimmte nicht und ohne die Korrektur wäre die Aufgabe unlösbar gewesen.
Sicherlich ist es ein Lehrstück dafür, dass man sich stets gut überlegen sollte, ob das, was da steht, richtig ist und ob es alternative Informationsquellen gibt. Und das gilt ja nicht nur für Schulbücher.
Wieso halten sich solche Irrtümer eigentlich über mehrere Auflagen hinweg in Schulbüchern, auch wenn es längst neue Erkenntnisse gibt?
In meinen Augen gibt es darauf nicht nur eine Antwort. Manchmal werden die Irrtümer nicht schnell genug entdeckt. Manchmal glauben die Rezipienten den Irrtum selbst, vielleicht auch, weil andere Quellen ihn schon bestätigt haben. Man müsste sicherlich auch bei der Wissenschaftskommunikation ansetzen, die Irrtümer gut verständlich und für die Öffentlichkeit interessant erklären sollte.
Es ist eine ganze Menge im Umbruch.
Stichworte Digitalisierung, Genderneutralität, Interaktivität: Wie reagieren Schulbuchverlage auf die Anforderungen der heutigen Zeit?
Sicherlich ist es so, dass Schulbuchverlage heutzutage unter einem besonderen Druck stehen. Da sind zum einen Neuerungen durch die Kernlehrpläne, auf die schnell zu reagieren ist. Zum anderen ändern sich die Fächer und die Vermittlungsformen durch technische Impulse ganz wesentlich.
Die Digitalisierung ermöglicht heutzutage ganz neue Vermittlungsformen, die einen relativ einfachen unterrichtlichen Einbezug großer Bild- und Ton-, aber auch Textdaten erlauben. Das bedeutet, dass das klassische Lehrbuch an vielen Stellen um digitale Vermittlungsformate zu ergänzen ist.
Für die Schulbuchverlage erweist sich dabei die Stabilität der Inhalte im Internet als eine große Herausforderung. Von Lehrkräften selbst gelöste Rechercheaufgaben, die Schülerinnen und Schüler normalerweise unter Verwendung von Suchmaschinen bearbeiten würden, können schnell an Aktualität verlieren oder bereits am Tag nach der Vorbereitung zu ganz anderen Rechercheergebnissen führen.
Und natürlich müssen die Schulbuchverlage sehr genau kalkulieren, welche technischen Anforderungen sie an die Benutzer ihrer Materialien stellen können: Verfügen die Schulen über die notwendige Ausstattung? Es ist also eine ganze Menge im Umbruch.