Benedikt Göcke hält am Montag, 16. Dezember 2019, einen Vortrag im Blue Square über die Existenz Gottes. © RUB, Marquard

Religion Existiert Gott?

Warum man auch als aufgeklärter und moderner Mensch an Gott und ein Leben nach dem Tod glauben kann.

Der christliche Glaube geht davon aus, dass Gott existiert, sich in Jesus Christus offenbart hat, und es ein Leben nach dem Tode geben wird. Aber kann diese Hoffnung noch rational verteidigt werden? Haben die Naturwissenschaften nicht längst gezeigt, dass der Glaube an den christlichen Gott, der die Toten wieder zum Leben erweckt, ein irrationaler und unvernünftiger Glaube ist? Theologe und Philosoph Prof. Dr. Dr. Benedikt Göcke hat sich darüber Gedanken gemacht.

Herr Göcke, wie hat sich die christliche Vorstellung von Gott in den vergangenen 100 Jahren gewandelt?
Um die Frage zu beantworten, ist es hilfreich, zwischen den Gottesvorstellungen der Gläubigen und den Konzeptionen Gottes, die in Philosophie und Theologie analysiert und verteidigt werden, zu unterscheiden. Inwieweit und ob sich die Gottesvorstellungen der Gläubigen in den letzten 100 Jahren geändert haben, wäre eine empirische Frage, die ich nicht beantworten kann.

Aus Sicht der Philosophie und Theologie besteht heute wie vor 100 Jahren Konsens darüber, dass Gott, wenn er existiert, ein perfektes und anbetungswürdiges Wesen ist, das die Welt aus dem Nichts erschaffen hat.

Wenn Gott existiert, ist er ein perfektes und anbetungswürdiges Wesen, das die Welt aus dem Nichts erschaffen hat.

Was sich im Laufe der Zeit geändert hat und wohl weiter ändern wird, sind die Antworten auf die Frage, was denn eigentlich ein perfektes und anbetungswürdiges Wesen sein soll: Ist ein perfektes Wesen zeitlos oder existiert es für eine unendliche lange Zeit? Kennt ein perfektes Wesen die Zukunft oder kann es sie nicht kennen, weil die Zukunft noch nicht existiert? Kann ein perfektes Wesen die Naturgesetze durchbrechen oder ist es an sie gebunden? Kann es ein anbetungswürdiges Wesen geben, obwohl doch so viel Leid in der von ihm geschaffenen Welt existiert? Was spricht überhaupt dafür, dass ein perfektes Wesen existiert?

Je nachdem, welche Antworten hier formuliert werden, ändert sich auch unsere Konzeption Gottes. In der gegenwärtigen philosophisch-theologischen Debatte gibt es daher eine ganze Bandbreite verschiedener Theorien darüber, wie wir Menschen innerhalb unserer Möglichkeiten adäquat von Gott sprechen können.

Wir haben heutzutage ein viel größeres Wissen über die Naturwissenschaften als früher. Wir wissen, dass die Erde nicht in sieben Tagen geschaffen wurde und dass niemand über Wasser gehen kann. Wie kann man mit diesem Wissen dennoch an Gott und die Bibel glauben?
Obwohl die Naturwissenschaften in den vergangenen Jahrhunderten zahlreiche Theorien über das Universum, in dem wir leben, erarbeiteten und uns so ermöglicht haben, in unsere Lebensumwelt gestalterisch und zielgerichtet einzugreifen, wäre es eine naive Verzerrung naturwissenschaftlicher Arbeit, wenn man sie so verstehen würde, als ob die Naturwissenschaften in einem linearen Prozess einfach immer mehr und mehr Wissen über die Wirklichkeit anhäuften.

Naturwissenschaftliche Theorie- und Modellbildung verläuft auch sprunghaft, manchmal finden sich sogar verschiedene Ansätze, um dasselbe Phänomen zu erklären, gleichberechtigt nebeneinander.

Naturwissenschaftliche Theorien sind immer in größere philosophische und weltanschauliche Kontexte eingebettet.

Darüber hinaus sind naturwissenschaftliche Theorien auch immer in größere philosophische und weltanschauliche Kontexte eingebettet. Obwohl in den Medien oft ein Konflikt zwischen naturwissenschaftlichen und philosophisch-theologischen Aussagen konstruiert wird, wäre ich an dieser Stelle daher vorsichtiger: Obwohl die naturwissenschaftliche Methode unser bester theoretischer Zugang zur materiellen Welt ist, sagen die Naturwissenschaften beispielsweise nichts über den Wert und die Bedeutung des Lebens oder darüber, was moralisch richtig und falsch ist.

Die Bibel enthält kondensierte und reflektierte Erfahrungen der Menschen mit einem Gott, der für ihr Leben von höchster Bedeutung war.

Diese Fragen werden in Philosophie und Theologie behandelt, auch unter Bezug auf die Bibel, die ja kein naturwissenschaftlicher Traktat oder eine philosophisch-theologische Abhandlung ist, sondern kondensierte und reflektierte Erfahrung der Menschen mit einem Gott, der für ihr Leben von höchster Bedeutung war.

Darüber hinaus gibt es aber gerade in Bezug auf die Frage nach der Existenz Gottes Argumente, die sich auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse stützen und sie verwenden, um zu zeigen, dass es vernünftig ist, von der Existenz Gottes auszugehen.

Das sogenannte Kalam-kosmologische Argument beispielsweise stützt sich auf die kosmologische Einsicht, dass unser Universum vor 13,8 Milliarden Jahren angefangen hat zu existieren, und argumentiert, dass die Ursache für die Existenz des Universums selbst keine physikalische Ursache sein kann, da nichts Physikalisches vor dem „Big Bang“ existierte. Daher, so das Argument, sei es vernünftig, anzunehmen, dass die Ursache eine Person ist, die das Universum erschaffen wollte.

Der Glaube an die Auferstehung nach dem Tod ist ein zentraler Gedanke im Christentum. Ist das nicht angesichts heutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse irrational?
Der Glaube an ein Leben nach dem Tod ist in der Tat ein wesentliches Element des christlichen Glaubens. Ob wir wirklich nach dem Tode auferstehen werden, können wir natürlich nicht mit Sicherheit wissen.

Allerdings können wir uns aus philosophischer und theologischer Perspektive zum einen fragen, was genau mit einem Leben nach dem Tode überhaupt gemeint sein soll: Wird es ein Leben mit einem neuen Körper sein? Wird es ein Leben als immaterielle Seele in der Gegenwart Gottes sein? Werden wir immer noch einen freien Willen im Himmel haben? Können wir im Himmel traurig sein?

Aus philosophischen Gründen kann ein Leben nach dem Tod nicht prinzipiell ausgeschlossen werden.

Zum anderen können wir uns fragen, welche philosophischen Argumente für und gegen die Möglichkeit eines Lebens nach dem Tode sprechen. Wir können uns also fragen, ob die Hoffnung auf ein ewiges Leben, wenn wir denn darauf hoffen, aus philosophisch-theologischer Sicht eine begründete Hoffnung ist.

Und hier scheinen mir die Argumente doch dafür zu sprechen, dass ein Leben nach dem Tode aus philosophischen Gründen prinzipiell nicht ausgeschlossen werden kann. Der Glaube an ein Leben nach dem Tode ist daher kein irrationaler Glaube, sondern Ausdruck einer begründeten Hoffnung, die auch prinzipiell nicht durch die Erkenntnisse der Naturwissenschaften widerlegt werden kann, da der Geltungsbereich der Naturwissenschaften, also der Bereich, über den sie begründet sprechen können, gewissermaßen diesseits des Paradieses halt macht: Selbst wenn der Materialismus recht haben sollte und jeder Mensch mit seinem Körper vollständig identisch ist, kann argumentiert werden, dass Gott die Möglichkeit hat, diesen Körper wieder zum Leben zu erwecken.

Veröffentlicht

Dienstag
10. Dezember 2019
09:40 Uhr

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