Benedikt Göcke macht sich als Philosoph und Theologe Gedanken über die Zukunft der Menschheit.
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Kurzinterview Der optimierte Mensch

Darf der Mensch die biologischen Grenzen, die die Natur ihm auferlegt hat, eigenmächtig übertreten und sich selbst neu erschaffen?

Moderne Technologien eröffnen dem Menschen die Möglichkeit, sich selbst und seine Umwelt immer weiter zu optimieren. Transhumanisten sehen in diesem sogenannten Human Enhancement einen wichtigen Schritt in der kulturellen Evolution des Menschen. Prof. Dr. Dr. Benedikt Göcke befasst sich in seiner Forschung intensiv mit dem Thema und erklärt, was uns in Zukunft erwarten könnte.

Herr Göcke, ist der Wunsch des Menschen nach Selbstoptimierung ein Phänomen unserer technisierten Zeit oder gab es den schon früher?
Der Wunsch, die eigenen Grenzen zu überschreiten, begleitet den Menschen schon sehr lange und kann als Motor vieler kultureller und damit auch technologischer Entwicklungen betrachtet werden. Ohne den Wunsch, über das Bestehende hinauszugehen, um sich und die Umwelt in Anbetracht der jeweils gesetzten Zwecke zu verbessern und handbarer zu gestalten, wären wir zivilisatorisch nicht, wo wir heute stehen.

Künstliche Intelligenz und synthetische Biologie machen Optimierung möglich

Allerdings eröffnen uns die neuen Technologien, besonders die Künstliche-Intelligenz-Forschung und die synthetische Biologie, Optimierungsmöglichkeiten, die über das humanistische Ideal einer Perfektionierung des Menschen durch Bildung weit hinausgehen und es zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit scheinbar ermöglichen, die biologische Natur des Menschen und seiner Umwelt fundamental und dauerhaft zu verändern. Darin liegt eine große Chance, die aber ebenso große Risiken mit sich bringt.

Unter den Transhumanisten gibt es die moderaten und die radikalen Vertreter. Während erstere den Menschen lediglich optimieren wollen, wollen die Radikalen die biologische Natur des Menschen so verändern, dass dadurch neue Spezies entstehen. Ist so eine Entwicklung wirklich denkbar?
Denkbar ist für Philosophen zunächst alles, was keinen Widerspruch impliziert. Insofern ist es denkbar, dass die Agenda des radikalen Transhumanismus auch umgesetzt werden kann. Daher sollten wir uns aus philosophisch-theologischer Sicht mit Fragen der ethischen Bewertung dieser Agenda auseinandersetzen, bevor sie in die Tat umgesetzt wird.

Die Frage ist aber eher, wie wahrscheinlich es ist, dass wir die für die radikale Umgestaltung der menschlichen Natur notwendigen Erkenntnisse erlangen und verantwortungsvoll einsetzen können. Der biologische Körper des Menschen ist ein doch sehr fein aufeinander abgestimmtes System und kleine Änderungen können unvorhergesehene Auswirkungen haben. Aber wer weiß, welchen Beitrag Künstliche Intelligenz und die Analyse von Big Data in Zukunft liefern werden?

Impfungen und Brillen sind auch Verbesserungen der menschlichen Natur.

Sie selbst sind Philosoph und Theologe. Wie ist Ihre persönliche Meinung zum Human Enhancement?
Ich denke nicht, dass sich eine philosophisch sinnvolle Grenze zwischen medizinischer Therapie und Human Enhancement ziehen lässt. Der Sache nach sind Impfungen und Brillen auch Verbesserungen der menschlichen Natur.

Eine moderate transhumanistische Agenda, die den Menschen verbessert und dafür sorgt, dass er über eine längere Gesundheitsspanne verfügt, scheint mir auf der einen Seite daher durchaus vernünftig zu sein.

Gefahren und Risiken, die die neuen Technologien mit sich bringen, müssen immer mitbedacht werden.

Auf der anderen Seite müssen wir darauf achten, dass die möglichen Gefahren und Risiken, die die neuen Technologien mit sich bringen, immer mitbedacht werden, und nur solche Änderungen vorgenommen werden, die keinen ethischen Prinzipien widersprechen. Das wird wohl die Herausforderung politischer Diskurse sein: Was wollen wir wozu wie verbessern? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir auch auf geschichtsphilosophische Impulse Bezug nehmen: Wohin wollen wir uns als Menschheit entwickeln?

 

Veröffentlicht

Donnerstag
04. April 2019
15:53 Uhr

Von

Raffaela Römer

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