Onur Güntürkün, Martin Stacho und Noemi Rook (von links) haben tiefe Einblicke in die Struktur der Gehirne von Vögeln gewonnen. © RUB, Marquard

Neurowissenschaft Vogelhirne weisen eine überraschende Organisation auf

Ein Forschungsteam räumt mit 150 Jahren falscher Annahmen auf.

Manche Vögel können erstaunliche kognitive Leistungen vollbringen – dabei erscheint ihr Gehirn im Vergleich mit dem von Säugetieren ziemlich unorganisiert. Die Arbeiten eines Forschungsteams der RUB offenbaren erstmals verblüffende Ähnlichkeiten zwischen dem Neocortex der Säugetiere und sensorischen Hirnarealen von Vögeln: Beide sind in horizontalen Schichten und vertikalen Säulen vernetzt. Damit sind 150 Jahre alte Annahmen widerlegt. Das Team, dem auch Forscherinnen und Forscher aus Düsseldorf, Jülich und Aachen angehören, hat seine Ergebnisse in der Zeitschrift „Science“ vom 25. September 2020 veröffentlicht.

Die größten Gehirne

Vögel und Säugetiere haben gemessen an ihrer Körpergröße die größten Gehirne. Ansonsten hätten sie allerdings wenig gemeinsam, so die Überzeugung der Wissenschaft seit dem 19. Jahrhundert: Säugetiergehirne verfügen über einen Neocortex: eine Hirnrinde, die aus sechs Schichten aufgebaut und senkrecht zu diesen Schichten in Kolumnen hochgradig geordnet ist. Vogelgehirne hingegen sehen aus wie Klumpen aus grauen Zellen.

Erstaunliche kognitive Leistungen

Einige Vögel sind zu erstaunlichen kognitiven Leistungen in der Lage, die man eigentlich nur höher entwickelten Säugetieren wie Primaten zugetraut hätte. So erkennen sich Raben selbst im Spiegel und planen in die Zukunft. Ebenso können sie sich in andere hineinversetzen, Kausalitäten erkennen und Schlussfolgerungen ziehen.

Tauben können die englische Rechtschreibung lernen bis hin zum Niveau sechsjähriger Kinder.

„Angesichts der erstaunlichen kognitiven Leistungen, die Vögel vollbringen können, lag der Verdacht allerdings nahe, dass ihr Gehirn organisierter aufgebaut ist als gedacht“, so Prof. Dr. Onur Güntürkün, Leiter der Arbeitseinheit Biopsychologie an der Fakultät für Psychologie der RUB. In mehreren Experimenten gelang ihm mit seinen ehemaligen Doktoranden Dr. Martin Stacho und Dr. Christina Herold der Nachweis.

Perfektionierte Technik erlaubt neue Einsichten

Im ersten Schritt kam eine neue, durch die Düsseldorfer und Jülicher Teams perfektionierte Methode zum Einsatz: Das sogenannte 3D polarized light imaging, kurz 3D-PLI, ist in der Lage, einzelne Nervenfasern, in denen Signale weitergeleitet werden, und deren Ausrichtung darzustellen. Die Untersuchung der Gehirne verschiedener Vögel ergab eine für die Forscher überraschende Organisation, die der im Säugetiergehirn ähnlich ist: Auch hier verlaufen die Fasern horizontal und vertikal genauso wie im Neocortex.

Ähnlich wie im Cortex von Säugetieren sind auch die Nervenzellen in bestimmten Bereichen des Gehirns von Vögeln in vertikalen Schichten und horizontalen Säulen organisiert. © RUB-Biopsychologie

Veröffentlicht

Freitag
25. September 2020
09:58 Uhr

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