David Wegrzyn und seine Kooperationspartner fanden Veränderungen im Nervensystem, die anscheinend durch die Immunantwort ausgelöst wurden. © RUB, Marquard

Neurowissenschaft Wie Infektionen während der Schwangerschaft Embryonen beeinflussen

Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass neuropsychiatrische Krankheiten mit Infektionen während der Schwangerschaft zusammenhängen könnten. Eine Studie zeigt einen möglichen Mechanismus auf zellulärer Ebene auf.

Wenn das Immunsystem der Mutter während der Schwangerschaft mit Infektionen zu kämpfen hat, kann das auch den Fötus beeinflussen, selbst wenn die meisten Krankheitserreger nicht durch die Plazenta zum ungeborenen Kind gelangen können. Wissenschaftliche Studien haben einen Zusammenhang zwischen einer Aktivierung des mütterlichen Immunsystems und neuropsychiatrischen Krankheiten belegt. Bislang ist das Phänomen aber hauptsächlich auf Verhaltensebene erforscht. Ein Team aus der Neurobiologie und der Psychiatrie der RUB hat nun auf zellulärer Ebene untersucht, welcher Mechanismus für den Zusammenhang verantwortlich sein könnte. Die Ergebnisse sind in der September-Ausgabe des European Journal of Neuroscience erschienen.

Für die Studie kooperierten die Teams um David Wegrzyn und Prof. Dr. Andreas Faissner aus der Abteilung Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie und um Prof. Dr. Nadja Freund und Prof. Dr. Georg Juckel des LWL-Universitätsklinikums für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin der RUB. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten, wie sich die Immunantwort eines schwangeren Muttertiers auf das Nervensystem von Mausembryonen auswirkt. Dazu verabreichten sie eine bestimmte Substanz, Poly I:C genannt, die eine vergleichbare Reaktion auslöst wie eine Infektion während der Schwangerschaft.

Verändertes Nervensystem

Das Team stellte fest, dass die Behandlung das Nervensystem der Embryonen veränderte. Neurone, die aus dem Hippocampus dieser Tiere isoliert wurden, bildeten in Kultur deutlich schwächer ausgeprägte, sogenannte perineuronale Netze aus als üblich. Dabei handelt es sich um Strukturen außerhalb der Zellen, die die synaptische Plastizität beeinflussen. „Es gibt immer mehr Berichte, dass die perineuronalen Netze mit neuropsychiatrischen Krankheiten in Zusammenhang stehen“, sagt Andreas Faissner. „Unsere Studie zeigt, dass sich die Immunreaktion des Muttertiers vor allem negativ auf jene Neurone auswirkt, die perineuronale Netze ausbilden“.

Ein Teil des Bochumer Teams: David Wegrzyn (vorn), Nadja Freund (links) und Andreas Faissner © RUB, Marquard

In weiteren Studien wollen die Forscherinnen und Forscher nun den Einfluss der Immunzellen des Nervensystems, der Mikroglia, genauer untersuchen. Diese stehen im Verdacht, an neuropsychiatrischen Erkrankungen beteiligt zu sein. „Wir gehen bei der schweren psychiatrischen Erkrankung Schizophrenie von einer Schädigung neuronaler Strukturen durch aktivierte Mikroglia aus“, sagt Georg Juckel. „Unsere Studie konnte zeigen, dass die synaptische Plastizität nach der Aktivierung des mütterlichen Immunsystems wesentlich verändert war, was vermutlich beispielsweise den kognitiven Einbußen dieser Erkrankung zugrunde liegt.“

Außerdem verfügen Mikroglia über ein Repertoire an Faktoren, die den perineuronalen Netzen direkt schaden könnten. „Da noch sehr wenig über den Einfluss der Mikroglia auf perineuronale Netze bekannt ist, könnten die Versuche neue wichtige Erkenntnisse liefern und die Rolle der Mikroglia genauer aufklären“, sagt David Wegrzyn.

Originalveröffentlichung

David Wegrzyn, Marie-Pierre Manitz, Michael Kostka, Nadja Freund, Georg Juckel, Andreas Faissner: Poly I:C-induced maternal immune challenge reduces perineuronal net area and raises spontaneous network activity of hippocampal neurons in vitro, in: European Journal of Neuroscience, 2020, DOI: 10.1111/ejn.14934

Veröffentlicht

Donnerstag
15. Oktober 2020
09:32 Uhr

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