Elektrotechnik und Informationstechnik Studierende bauen Alarmanlagen für Obdachlose
Die kostenlosen Bausätze bieten Schutz vor nächtlichen Diebstählen.
Als wenn sie nicht schon genug Sorgen hätten! Häufig werden Menschen, die ihre Nächte notgedrungen auf der Straße verbringen, im Schlaf bestohlen und um ihr weniges Hab und Gut gebracht. Um ihnen zumindest einen kleinen Schutz davor zu geben, haben Studierende der RUB im Sommersemester 2020 eine kostenlose Alarmanlage entwickelt. Der sogenannte Clochard Alert wird im Dezember 2020 erstmals getestet.
Hilfe in aller Welt und vor der eigenen Haustür
Wie so häufig, wenn es um humanitäre oder soziale Aktivitäten mit technischem Bezug geht, steckt Dr. Christoph Baer vom Lehrstuhl für Elektronische Schaltungstechnik an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik hinter dieser Idee. Vor allem, seitdem Baer im November 2017 die Special Interest Group on Humanitarian Technology (Sight) nach Deutschland holte. Als Untergruppe des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE), dem weltweiten Berufsverband von Ingenieuren, widmet sich Sight Deutschland humanitären Aufgaben: in aller Welt, aber auch vor der eigenen Haustür.
So auch in diesem Projekt, das in der Lehrveranstaltung „Master-Projekt Humanitäre Technik“ vorangetrieben wurde. Das Ziel der Veranstaltung liest sich zunächst recht trocken: „Angeboten werden Projekte zur Erarbeitung von technischen Lösungen für humanitäre Anwendungen. Diese Projekte können sowohl Hardware- als auch Softwarekomponenten besitzen. Sie sollen zum Abschluss in ein reales Szenario überführt werden.“ In der ungekürzten Version dieser Beschreibung ist zudem von einem Partner die Rede, beispielsweise einer Nichtregierungsorganisation oder einer Non-Profit-Organisation. Für dieses Projekt fand Christoph Baer den eingetragenen Verein Unsichtbar, der Obdachlosen und finanzschwachen Menschen hilft.
Ist das Kabel eingesteckt, kann der Alarm auf Knopfdruck scharf gestellt werden.
Christoph Baer
Gemeinsam entstand die Idee der Alarmanlage für Obdachlose, die anschließend in der Lehrveranstaltung innerhalb von sechs Monaten bis zur Produktreife umgesetzt wurde. Die Elektronik der Alarmanlage versteckt sich in einem zylindrischen Gehäuse, das acht Zentimeter lang ist, bei einem Durchmesser von drei Zentimetern. In das Gehäuse wird das Sicherungskabel gesteckt. „Mit diesem dünnen Kabel kann der Obdachlose seine Habseligkeiten verschnüren“, beschreibt Christoph Baer die Funktion. „Ist das Kabel eingesteckt, kann der Alarm auf Knopfdruck scharf gestellt werden. Wird das Sicherungskabel gewaltsam herausgezogen oder durchtrennt, ertönt der Alarm, der hoffentlich den Dieb erschreckt, den Obdachlosen aufweckt und das Interesse weiterer Passanten erregt.“
Der Clochard Alert ist batteriebetrieben. Aufgrund des hochgradig energieeffizienten Schaltungsdesigns sollten die Batterien jedoch bis zu neun Jahre reichen, so Baer. „Die Lebensdauer variiert natürlich, je nachdem, wie häufig der Alarm ausgelöst wird.“
Wir streben zunächst eine Kleinserie von 200 Stück an.
Christoph Baer
Gebaut werden zunächst 20 Geräte, die im Dezember in ganz Deutschland von Hilfsorganisationen begutachtet und verteilt werden. „Am Ende des Wintersemesters wollen wir die Ergebnisse dieser Feldstudie evaluieren. Sollte sich der Clochard Alert bewähren, würden wir zunächst eine Kleinserie von 200 Stück anstreben, die wir in zwei bis Monaten bauen könnten“, erläutert Christoph Baer.
Demnächst noch Heizpads
Mit dem Clochard Alert ist die Arbeit der Studierenden aber noch nicht beendet. „Der Winter steht vor der Tür und die Nächte werden immer kälter“, erklärt Baer. „Deshalb arbeiten wir zurzeit noch an einem per Powerbank-betriebenem Heizpad für Obdachlose.“ 200 Stück wollen Baer und die Studierenden möglichst noch in diesem Jahr verteilen. Finanziell unterstützt werden beide Projekte sowohl von der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik als auch von Sight. Auch die Mechanische Werkstatt der Fakultät hilft, sie baut die Zylinder für den Clochard Alert.