Sportmedizin Wenn die Luft dünn wird
Manche Sportlerinnen und Sportler müssen ihre Leistung in großer Höhe erbringen. Eine bestimmte Ernährung könnte dabei hilfreich sein.
Für ihre Forschung begibt sich Sportmedizinerin Prof. Dr. Petra Platen manchmal hoch hinaus. So bestieg sie unter anderem bereits den Kilimandscharo. Aber nicht nur bei der Arbeit auf diversen Gipfeln, auch in ihren Laboren auf dem RUB-Campus wird die Luft manchmal dünn. In den Räumen lässt sich der reduzierte Sauerstoffdruck simulieren, der auch in großer Höhe herrscht. Was diese Bedingungen mit dem Körper machen, vor allem wenn er sportliche Hochleistungen erbringen muss, und ob man gewisse Effekte mit Ernährung kompensieren kann, erforscht die Bochumer Wissenschaftlerin.
Bei hochintensiven Belastungen steht dem Körper nicht ausreichend Sauerstoff zur Verfügung, um über die üblichen Stoffwechselprozesse Energie zu erzeugen. Der Anteil sogenannter anaerober Prozesse, die ohne Sauerstoff Energie bereitstellen können, an der Gesamtenergieproduktion steigt. Dabei entsteht Milchsäure als Metabolit, deren Konzentration man im Blut bestimmen kann, aber auch im Urin lässt sich die Übersäuerung des Körpers in Form eines sinkenden pH-Werts nachweisen. Solche Schwankungen im Säure-Basen-Haushalt sind normal, jedoch strebt der Körper immer nach einem Gleichgewicht und einer pH-neutralen Stoffwechsellage. Ist die Übersäuerung unter Belastung zu stark, schützen sich die beanspruchten Muskelzellen selbst und drosseln die Energiebereitstellung; ansonsten würden sie sich selbst zerstören. Das führt aber auch dazu, dass die Belastung abgebrochen oder zumindest deutlich reduziert werden muss.
Säuren und Basen
Manche Sportlerinnen und Sportler nehmen vor körperlichen Belastungen daher eine eher basische Ernährung zu sich, was die Säure-Toleranz des Körpers erhöht und die Leistungsfähigkeit verbessern kann. Eine basische Ernährung umfasst zum Beispiel viel Obst und Gemüse, eine saure Ernährung hingegen viele Fleisch- und Käseprodukte. Den Effekt der basischen Ernährung kann man auch mit einem Nahrungsergänzungsmittel, dem Bicarbonat, erzielen.
Höhe bringt Säure-Basen-Haushalt durcheinander
Ob diese Umstellung der Ernährung auch sportliche Leistungen in der Höhe verbessert, wollten Petra Platen und Mirjam Limmer, Doktorandin am Lehr- und Forschungsbereich Sportmedizin und Sporternährung der RUB, herausfinden. Denn auch ein Aufenthalt in Höhen von 3.000 Metern und mehr, wie sie beim Bergwandern, Bergsteigen, beim Klettern, bei verschiedenen Ski-Disziplinen oder beim Mountainbiking oft erreicht werden, bringt den Säure-Basen-Haushalt durcheinander. Wenn die Luft in der Höhe dünn wird, also der Sauerstoffdruck geringer wird, beschleunigt sich die Atmung, um dem Körper mehr Sauerstoff zuzuführen. Dadurch wird aber auch vermehrt Kohlendioxid abgeatmet. „Im Säure-Basen-Gleichgewicht bedeutet das eigentlich, dass wir Kohlensäure abatmen“, erklärt Petra Platen. „Dadurch steigt der pH-Wert des Bluts, es wird also basischer.“ Prozesse in der Niere wirken diesem Effekt entgegen. Sie entfernen die Base Bicarbonat aus dem Blut, um den pH-Wert wieder zu neutralisieren. Bicarbonat wirkt im Blut also als Puffer, der den Säure-Basen-Haushalt im Gleichgewicht hält.
Um zu überprüfen, ob eine saure oder basische Ernährung die Leistungsfähigkeit in der Höhe beeinflussen kann, untersuchten die Bochumer Sportwissenschaftlerinnen eine Gruppe von 15 Studierenden. Diese absolvierten einen körperlichen Leistungstest, nachdem sie einmal vier Tage lang bevorzugt saure Lebensmittel zu sich genommen hatten, ein anderes Mal vier Tage lang bevorzugt basische Lebensmittel. Die Leistungstests durchliefen sie dabei jeweils unter normalen Umgebungsbedingungen und nach einem zwölfstündigen Aufenthalt im Höhenlabor mit einem reduziertem Sauerstoffgehalt.
Kein Effekt der Ernährung nachweisbar
Erwartungsgemäß reduzierte der Aufenthalt im Höhenlabor die Leistungsfähigkeit der Sportlerinnen und Sportler. Die Ernährung hatte jedoch keinen Effekt auf die Leistung. „Das hat uns überrascht“, sagt Petra Platen. „Wir hatten eigentlich damit gerechnet, dass die basische Ernährung die Leistungsfähigkeit in der Höhe steigern würde.“ Die Ernährung veränderte zwar den pH-Wert des Bluts und des Urins. Aber auf die Performance im Test hatte das keinen Einfluss. „Wir gehen davon aus, dass ein kurzer Aufenthalt von zwölf Stunden im Höhenlabor den Säure-Basen-Haushalt nicht ausreichend verändert, damit die Effekte sichtbar werden“, interpretiert die Bochumer Wissenschaftlerin.
Also überlegten Mirjam Limmer und Petra Platen sich ein neues Experiment: eine Exkursion auf eine 4.500 Meter hoch gelegene Hütte in den Alpen mit siebentägigem Aufenthalt in der Höhe. Mit einer Gruppe von 14 Studierenden erklommen sie den Gipfel. Um eine basische Ernährung zu simulieren, erhielt die Hälfte das Nahrungsergänzungsmittel Bicarbonat. Die restlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten Wasser als Placebo. „Aus logistischen Gründen haben wir in diesem Versuch mit Bicarbonat gearbeitet, da man auf den Hütten essen muss, was man bekommt, und nicht so leicht beeinflussen kann, ob man eher saure oder eher basische Lebensmittel zu sich nimmt“, erklärt Platen eine der logistischen Herausforderungen des Experiments.
Wir müssen natürlich alles, was wir benötigen, selbst mit auf den Berg schleppen.
Petra Platen
Die Gruppe hatte reichlich Testequipment mit auf den Berg genommen, um Blut- und Urinproben direkt vor Ort analysieren und standardisierte Leistungstest durchführen zu können. Für letztere mussten die Probandinnen und Probanden auf der Stelle mit maximaler Geschwindigkeit und Kraft für 60 Sekunden gegen den Widerstand eines Seils ansprinten, von dem sie mit einem Bauchgurt festgehalten wurden. Den Test hatte Mirjam Limmer speziell für solche Untersuchungen im Feld entwickelt, da er relativ platzsparend ist und das Equipment nicht zu schwer. Denn: „Wir müssen natürlich alles, was wir benötigen, selbst mit auf den Berg schleppen“, so Platen.
Höhenkrankheit und Unverträglichkeiten
Wie erwartet wirkte sich die Bicarbonat-Einnahme auf den pH-Wert von Blut und Urin aus, der basischer wurde. Allerdings fanden die Forscherinnen auch in diesem Experiment keinen signifikanten Einfluss von Bicarbonat auf die Leistungsfähigkeit in der Höhe. Vermutlich, weil letztendlich Daten von zu wenig Personen vorlagen. „Einige Teilnehmer sind höhenkrank geworden und wir mussten sie vom Berg wieder runterbringen“, erinnert sich Petra Platen. „Forschung unter natürlichen Bedingungen ist halt nicht ganz einfach.“ Sinn und Zweck der Studie sei es gewesen, sich gezielt in ein Stoffwechsel-Ungleichgewicht zu bringen. „Wir sind mit Absicht etwas schneller aufgestiegen, als man es normalerweise tun würde“, erklärt sie. „Dabei nähern wir uns einer körperlichen Grenze, und natürlich müssen wir auch immer eine Notausstiegsoption haben.“
Aus diesem Grund begleitet die ausgebildete Höhenmedizinerin solche Exkursionen immer persönlich, um die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer medizinisch betreuen und bei Unwohlsein zurück ins Tal bringen zu können. Die Höhe war aber nicht das einzige, was der Gruppe zu schaffen machte. „Bicarbonat schmeckt sehr bitter und ist etwas ekelig“, weiß Petra Platen. „Das kann manchmal Magen-Darm-Probleme verursachen.“ So mussten die Studienleiterinnen im Laufe des Experimentes die Dosis verringern, was den Datensatz weiter beeinflusste. „Wir müssten das Experiment also noch einmal mit einer größeren Gruppe in den Bergen wiederholen – oder in einem Höhenhaus, in dem man bequem mehrere Tage unter sauerstoffarmen Bedingungen wohnen kann“, resümiert Platen. „Das geht allerdings unter den aktuellen Corona-Bedingungen nicht.“