Vögel benötigen für ihr Gehirn wesentlich weniger Energie als Säugetiere. © RUB, Marquard

Biopsychologie Schlaue Vögel denken smart und sparsam

Gegenüber der Energieeffizienz von Vogelgehirnen können wir Säugetiere einpacken.

Die Gehirnzellen von Vögeln benötigen nur etwa ein Drittel der Energie, die Säugetiere aufwenden müssen, um ihr Gehirn zu versorgen. „Das erklärt zum Teil, wie Vögel es schaffen, so schlau zu sein, obwohl ihre Gehirne so viel kleiner sind als die von Säugetieren“, sagt Prof. Dr. Onur Güntürkün, Leiter der Arbeitseinheit Biopsychologie der Ruhr-Universität Bochum. Sein Forschungsteam untersuchte gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Köln, Jülich und Düsseldorf den Energieverbrauch der Gehirne von Tauben mit bildgebenden Methoden. Die Forschenden berichten in der Zeitschrift Current Biology vom 8. September 2022.

Warum es eine Krähe mit einem Schimpansen aufnehmen kann

Unser Gehirn macht nur etwa zwei Prozent unseres Körpergewichts aus, verbraucht aber etwa 20 bis 25 Prozent der Körperenergie. „Das Gehirn ist damit das mit Abstand energetisch teuerste Organ unseres Körpers, und wir konnten es uns im Laufe der Evolution nur leisten, indem wir uns erfolgreich sehr viel Energie zuzuführen lernten“, erklärt Güntürkün. Die Gehirne von Vögeln sind im Vergleich viel kleiner. Trotzdem sind Vögel genauso schlau wie so manche Säuger: Krähen und Papageien zum Beispiel, deren Gehirne nur etwa 10 bis 20 Gramm wiegen, können es kognitiv durchaus mit einem Schimpansen aufnehmen, dessen Gehirn 400 Gramm auf die Waage bringt.

Wie kann das sein? Eine Studie im Jahr 2016 brachte Licht ins Dunkel: Sie ergab, dass Vögel pro Volumen Hirnmasse zwei- bis dreimal so viele Nervenzellen besitzen wie Säugetiere. Ihre Gehirne sind also viel dichter gepackt. Zudem sind ihre Hirnnervenzellen kleiner. „Es stellt sich aber trotzdem die Frage: Wie kann sich ein so kleines Tier so unglaublich viele Nervenzellen leisten?“, so Onur Güntürkün.

Überraschend war das Ausmaß des Unterschieds im Energieverbrauch

Um dieser Frage nachzugehen, nahmen er und sein Team die Gehirne von Tauben genauer unter die Lupe. Dafür nutzten sie die Methode der Positronen-Emissions-Tomografie, kurz PET. Dank eines speziellen Kontrastmittels konnten sie anhand der damit erzielten Bilder abschätzen, wie viel Glukose die Nervenzellen im Gehirn der Tauben im wachen und im narkotisierten Zustand jeweils verbrauchten. Der Energieverbrauch betrug demnach nur ein Drittel dessen, was ein Säugetiergehirn verbraucht.

„Was uns am meisten überrascht hat, ist nicht, dass die Nervenzellen überhaupt weniger Glukose verbrauchen – das war aufgrund ihrer kleineren Größe zu erwarten“, so Güntürkün. „Aber dass der Unterschied so groß ist, bedeutet, dass Vögel zusätzliche Mechanismen besitzen, die den Energieverbrauch der Nervenzellen senken. Das könnte zum Teil mit der höheren Körpertemperatur von Vögeln zusammenhängen, aber wahrscheinlich auch mit zusätzlichen Faktoren, die derzeit noch völlig unbekannt sind“, erklärt der Forscher. „Unsere Studie fügt sich in eine wachsende Zahl von Studien ein, die zeigen, dass Vögel in der Evolution einen eigenen und sehr erfolgreichen Weg zur Entstehung intelligenter Gehirne entwickelt haben.“

Kooperationspartner

An der Studie beteiligt waren Forschende der RUB, der Fakultät für Medizin und des Universitätsklinikums Köln, des Forschungszentrums Jülich, des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen, des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung sowie des Cecile-und-Oskar-Vogt-Instituts für Hirnforschung des Universitätsklinikums Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Förderung

Die Arbeiten wurden gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, Förderkennzeichen Gu 227/16-1 und Gu 227/21-1.

Originalveröffentlichung

Kaya von Eugen, Heike Endepols, Alexander Drzezga, Bernd Neumaier, Onur Güntürkün, Heiko Backes, Felix Ströckens: Avian neurons consume three times less glucose than mammalian neurons, in: Current Biology, 2022, DOI: 10.1016/j.cub.2022.07.070

Pressekontakt

Prof. Dr. Dr. h.c. Onur Güntürkün
Biopsychologie
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 26213
E-Mail: onur.guentuerkuen@rub.de

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Veröffentlicht

Freitag
09. September 2022
09:10 Uhr

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